Michael Sagenhorn/ März 2, 2023/ Kino und Film, Star Wars/ 0Kommentare

2022 / FSK 12 / Staffel 1, 12 Episoden, ca. 38 bis 57 Minuten

Stell dir vor, es läuft eine Serie und keiner sieht zu. Dann stell dir vor, dass diese Serie zum derzeit zweiterfolgreichsten Film-Franchise gehört, und dann stell dir zudem vor, dass diese Serie die bisher beste Live-Action-Serie innerhalb dieses Franchises ist.

Hier ist die Rede von der Star Wars Serie Andor, die seit September 2022 das Sortiment von Disney Plus exklusiv erweitert. Zum Zeitpunkt der Erstfassung dieser Rezension, Ende des vergangenen Jahres 2022, waren die Zuschauerzahlen sehr verhalten, obwohl von überall her Lob für die Geschichte ausgeschüttet wurde– zurecht meiner Ansicht nach.

Vielleicht liegt die Zurückhaltung der Menschen daran, dass nach all den semioptimalen Star Wars Serien, die Lucasfilm, bzw. Disney in den letzten Monaten rausgehauen hat, bei den Zusehern eine gewisse Müdigkeit eingetreten ist, ähnlich wie beim Marvel Cinematic Universe nach Phase 4. Vielleicht hat die große Enttäuschung, die gerade die Serie Obi-Wan Kenobi bei den Fans ausgelöst hat, nicht nur bei mir, sondern auch bei ihnen eine entsprechend große Leere hinterlassen.

Auch ich habe erst mal überlegt, ob ich die Zeit aufbringen soll, wieder eine vermeintlich verunglückte Star-Wars-Serie anzusehen. Jedoch! Rogue One – A Star Wars Story, ist der bisher einzige Star Wars Film aus dem Hause Disney, der mir wirklich sehr gut gefallen hat. Nun war Cassian Andor der für mich am wenigsten interessante Charakter, der Rogue-One-Crew, da aber der am Drehbuch von Rogue One beteiligte Tony Gilroy auch der Andor-Schöpfer ist, wollte ich der Serie eine Chance geben.
Bei Andor handelt es sich um die Vorgeschichte zu Rogue One. Die Geschichte beginnt 5 Jahre vor Rogue One und deckt ein ganzes Jahr im Leben der Titelfigur Cassian Andor ab. Die Serie ist auf 2 Staffeln ausgelegt. Die zweite Staffel soll dann die Erlebnisse von Cassian Andor erzählen, bis zum Beginn der Handlung von Rogue One.
Meine Hoffnung auf ein Wiedersehen mit meinem Star Wars Lieblingsdroiden K-2SO in Staffel 2 ist also groß und berechtigt, und ich kann mir eine gewisse Vorfreude nicht verkneifen. Ich hoffe dann auf neue gewitzte Sprüche, wie schon im Kinofilm, z.B. „Wir haben ein Problem mit dem Horizont! – Es gibt keinen Horizont“. Nur V.I.N.CENT aus dem Film Das schwarze Loch gefällt mir besser. Na vielleicht haben wir sogar schon einen Vorboten von K-2SO in der ersten Staffel gesehen? Ich habe da so einen Verdacht, den ich aber für mich behalte.

©2022 Lucasfilm Ltd. & TM. All Rights Reserved.

Handlung

Seit 14 Jahren hält das Galaktische Imperium die Sternensysteme in seinem eisernen Würgegriff. Widerspruch wird nicht geduldet, Aufstände im Keim erstickt. Doch es regt sich Widerstand. Senatorin Mon Mothma und Antiquitätenhändler Luthen Rael planen eine organisierte Rebellion von Coruscant aus.
Von alldem ahnt Cassian Andor nichts. Auf der Suche nach seiner Schwester, kommt es zu einem Streit mit zwei Sicherheitsbeamten des Preox-Morlana-Konzerns, der für die Beamten tödlich endet. Zwar kehrt Cassian vorerst unbehelligt zurück, auf seine Heimatwelt Ferrix, doch ein pflichtbewusster Inspektor, Syril Karn nimmt sich vor, den Mörder der beiden Sicherheitsbeamten zu fassen. Als Karns Fährte ihn nach Ferrix führt, muss Cassian fliehen – direkt in die todbringenden Arme des Imperiums…

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Es ist empfehlenswert, die Serie soweit möglich ohne große Pausen durchzusehen. Die Handlung hat einen langsamen, teilweise sehr ausgedehnten Erzählstil. Da kann es leicht vorkommen, dass man den Faden nicht richtig aufnehmen kann, wenn man zu viel Zeit zwischen den Episoden verstreichen lässt. Zumindest ging es mir beim ersten Ansehen so, weil noch nicht alle Andor-Episoden bei Disney plus zur Verfügung standen.
Da die Handlung grob in drei Abschnitte zu je vier Episoden geteilt ist, empfehle ich zumindest die vier Episoden eines Abschnitts durchzusehen, wenn man es zeitlich einrichten kann. Hier hätten die Autoren von Die Ringe der Macht zur Schule gehen können, denn obwohl sich die Serie viel Zeit mit dem Aufbau lässt, und daher gewisse Längen nicht ausbleiben, ist die Geschichte zu jeder Zeit ansprechend, und bietet interessante, vielschichtige Charaktere.

Auch die Schauspieler machen einen guten Job. Für mich hervorstechend ist Stellan Skarsgård der den ambivalenten Charakter des Luthen Rael perfekt verkörpert. Auch die von mir geschätzte Fiona Shaw beweist hier wieder, dass sie mehr kann, als nur die böse Tante Petunia von Harry Potter zu spielen. Sie verkörpert Cassians Pflegemutter Maarva Andor. Und der Snoke-Darsteller Andy Serkis darf ebenfalls mehr von seinem schauspielerischen Können zeigen. Er verkörpert diesmal den Vorarbeiter Kino Loy, auf den Cassian Andor in einem imperialen Gefängnis trifft.
Auf der Seite des Imperiums hat für mich vor allem Denise Gough als ehrgeizige Dedra Meero, Lieutenant des ISB (Imperiales Sicherheitsbüro) überzeugt. Kyle Soller spielt Syril Karn, den Inspektor des Preox-Morlana-Konzerns, der in den ersten drei Episoden sehr interessant ist, aber im Laufe der späteren Handlung leider an Bedeutung verliert.

Die Rebellion beginnt!

Tatsächlich geht es in Andor weniger um Andor, sondern um den Beginn der organisierten Rebellion. Was in Rogue One schon angedeutet wird, nimmt hier seinen Anfang: Star Wars verlässt das einfache Muster des Gut-Böse Prinzips und stellt mit Luthen Rael auch die dunkle Seite der Rebellion vor.
Aber wir bekommen auch einen tieferen Einblick in die gnadenlose Organisation des Imperiums, und in dessen Hierarchie, die von Intrigen und Karrieresucht durchtränkt ist.

Wir erleben die tödliche Effizienz der seelenlosen imperialen Maschinerie, ganz ohne Imperator Palpatine oder Darth Vader, den Vertretern der Dunkeln Seite der Macht. Diese durchweg erdgebundene seelenlose Maschinerie steht als zweite Instanz dem luftigen Mythos der Dunklen Seite gegenüber, was das Imperium als Ganzes noch bedrohlicher erscheinen lässt.

Hier hilft nur ein beherzter Widerstand, der konsequent vorbereitet sein muss, wenn er einem Imperium die Stirn bieten will, das die Sternensysteme immer brutaler unterjocht. Gutherzigkeit ist selbst für die Gutherzigen fehl am Platze, und schnell wird in diesem Zusammenhang klar, dass ein durch und durch bösartiger Charakter, wie der von Palpatine, zwar einfach gestrickt ist, aber gerade diese Einfachheit, die uns z.B. durch das Fehlen jeglichen Gewissen aufgezeigt wird, ist von großem Vorteil, wenn es darum geht seine Ziele zu erreichen. Diesen Vorteil haben die Rebellen der ersten Stunde nicht.

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Ist Andor Star Wars?

Andor verzichtet auf nahezu jeden Fanservice. Und es ist auch mal schön, zur Abwechslung eine Geschichte zu sehen, die ohne Lichtschert-Gefuchtel auskommt.

Aber natürlich stellt sich daher die Frage, ist Andor überhaupt Star Wars? Passt diese Story zu Star Wars? Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort, denn es kommt darauf an, mit welchen Geschichten der jeweilige Fan überhaupt zum Fan geworden ist.

Wenn wir das Star Wars Universum heute betrachten, sehen wir auf eine Fülle von Geschichten, die in Filmen, Büchern, Videogames, Comics und Serien erzählt werden. Zum Großteil spielen darin Jedi, Sith, die Macht eine entscheidende Rolle.
Daher ist für viele vor allem jüngere Fans Star Wars mit diesen Elementen eng verbunden. In Andor gibt es keine Jedi, keine Sith, keine Macht. Von daher fehlt diesen Fans ein wichtiges Element, das für sie untrennbar zu Star Wars gehört. Ich kann deshalb gut nachvollziehen, wenn diese Menschen sagen, dass Andor sich nicht nach Star Wars anfühlt.

Ich gehöre zu einer anderen Generation. Als ich mit Star Wars zum ersten Mal in Berührung gekommen bin, gab es nur Krieg der Sterne und Das Imperium schlägt zurück. Krieg der Sterne konnte ich mir ansehen, weil er in den Kinos wiederaufgeführt wurde. Darin gibt es Vertreter der Jedi (Ben) und Vertreter der Sith (Vader), aber die Macht und deren Anwender waren nur ein Teil, einer bunt gemischten Truppe, die zudem aus Weltraumschurken, Robotern, einer Prinzessin und aus einem (erwachenden) Farmersjungen bestand.
Über Vader stand Wihuff Tarkin, ein gewöhnlicher Mensch, der auf dem Todesstern das Sagen hatte. Manche imperialen Kommandanten äußerten sich sogar abfällig gegenüber der Macht: „Verschonen Sie uns mit Ihrem Kinderschreck von der magischen Macht, Lord Vader!“ Star Wars ist für mich so vielschichtig geprägt, dass es für mich selbstverständlich ist, auch eine Geschichte ohne Wirken der Macht als Teil dieses Franchises zu akzeptieren. The Mandalorian, hätte für mich auch ohne den kleinen, grünen Grogu genauso zu Star Wars gehört, wie Andor.
Von dem her muss jeder für sich entscheiden, ob Andor in sein persönliches Star Wars Universum passt.

©2022 Lucasfilm Ltd. & TM. All Rights Reserved.

Fazit

Egal, ob man Andor nun zu Star Wars zählt, oder ob man sie als davon losgelöste Science-Fiction-Serie betrachten will. Bei Andor sollten alle auf ihre Kosten kommen. Die Serie hat Atmosphäre, und weiß eine durchdachte Geschichte zu erzählen. Teilweise zieht sich diese Geschichte aber viel zu lange hin, wodurch bei manchen Szenen die Augenlider sehr schwer werden können.
Auch hätte man bei weniger relevanten Figuren, auf eine ausführlichere Beleuchtung gerne verzichten können, zu Gunsten einer rasanteren Handlung.
Trotzdem gehört Andor für mich zu einem der bisher besten Star Wars Projekte, seit Disney die Marke übernommen hat. Ich glaube, die wenigsten Star Wars- oder Sci-Fi-Fans werden es bereuen, wenn sie dieser Serie eine Chance geben.

Bildquelle: ©The Walt Disney Company Germany GmbH

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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