Michael Sagenhorn/ März 14, 2023/ Kino und Film/ 0Kommentare

2016 / FSK 6 / 1h 47 min


In so manchen Geschichten beginnt eine phantastische Reise mit dem Erscheinen eines Kometen. Je nach Kultur kann dieser Komet Bote des Glücks oder Untergangs sein. Auch zu Beginn des Animes Your Name taucht ein solcher kosmischer Himmelsbote auf, und ist der Auftakt zur Geschichte des bisher weltweit erfolgreichsten Animes überhaupt.

Handlung

Die Schülerin Mitsuha Miyamizu führt ein ruhiges Leben in dem Städtchen Itomori. Sie wohnt mit Ihrer kleinen Schwester und ihrer Großmutter in einem Tempel, und hilft dort dort beim Seidenbänderflechten und bei den anfallenden Zeremonien. Doch Mitsuha ist unzufrieden. Viel Abwechslung bietet Itomori nicht. Daher träumt sie von einem Leben in Tokio, weit weg von der langweiligen Provinz.

Eines Tages geht dieser Wunsch in Erfüllung, aber anders als erhofft. Als Mitsuha eines Morgens erwacht, befindet sie sich in einer fremden Wohnung in Tokio. Doch das wirklich Erschreckende ist, Mitsuha hat nicht nur die Wohnung getauscht, sondern auch den Körper. Als sie an sich herab sieht bemerkt sie, dass sie im Körper eines Jungen steckt.

Dieser Junge heißt Taki Tachibana, und ist ein Schüler in Tokio. Und Taki wiederum steckt derweil in Mitsuhas Körper fest. Zuerst denken beide Schüler, das sei nur ein wundersamer, realistisch anmutender Traum. Es dauert aber nicht lange, bis sie erkennen, dass sie ihre Körper tatsächlich bis zu dreimal in der Woche tauschen. Von da ab beginnt eine wundersame Reise im Körper des jeweils anderen, die die beiden näherbringt, obwohl sie sich selbst nie begegnen können…

Erinnerungen an einen Traum

Die ungewöhnliche Reise von Taki und Mitsuha hat sowohl sehr sonnige Stationen, als auch sehr Dramatische. Ab der Mitte des Films, kippt die bis dahin überwiegend heitere Handlung, die vor allem dem Kennenlernen der beiden Protagonisten gewidmet ist, vollkommen. Ab da nimmt der Film richtig Fahrt auf und wird ausgesprochen spannend.

Für die beiden Schüler mit den großen Herzen, aber auch für deren Umfeld können wir uns schnell erwärmen. Sowohl Mitsuha, als auch Taki stehen gute Freunde zur Seite. Und diese Freunde sind nicht nur Beiwerk, sondern auch ein wichtiger Teil der Geschichte.
Ein grundlegender Aspekt der Geschichte ist, dass das Leben der beiden Teenager im Körper des jeweils anderen, tatsächlich fast mit Traumerfahrungen verglichen werden kann.

Während des ‚Traums‘ erleben Mitsuha und Taki die Ereignisse deutlich und klar, aber mit dem Erwachen im eigenen Körper verblast dieses Leben, wie die Erinnerung an einen intensiven Traum. Alle Bemühungen diese Traumerinnerungen zu bewahren sind vergeblich. Zurück bleiben bei den Schülern dann nur Aufzeichnungen in ihren elektronischen Tagebüchern oder schnell notierte Kritzeleien auf der Haut des jeweils anderen.
Die romantischen Gefühle, die sie im Laufe der Geschichte füreinander entwickeln, entspringen hier also nicht ihren bewussten Erfahrungen in der Zweisamkeit, aber sie bleiben in den Tiefen ihrer Seelen bestehen, wo sie richtig gelebt alle Grenzen überwinden.

Im Körper eines Anderen stecken

Kein Wunder! Denn den Körper –, und damit das Leben zu tauschen, ist bestimmt ein äußerst inniges Erleben.

Dieser Film bedient eine Sehnsucht, die in vielen von uns steckt, wenn wir uns fragen, wie es wohl wäre jemand anderer zu sein: Ein guter Freund oder ein Prominenter. Wir malen uns dann immer die positiven Dinge aus, die wir im Leben des anderen anstellen könnten. Warum auch nicht? Es ist unsere Fantasie. Würde dieser Tausch wirklich stattfinden, wir würden schnell am eigenen Leibe erkennen, dass das ersehnte Leben des anderen ebenfalls seine Herausforderungen birgt.

Eine Szene macht Regisseur Makoto Shinkai heute übrigens Sorgen, erklärt er in einem Interview. Shinaki betont, der Film sei zu einer Zeit gedreht worden, als es die #MeToo-Bewegung noch nicht gab. Die besagte Szene ist ein Running-Gag. In ihr massiert Taki nach dem Körpertausch Mitsuhas Brüste. Diese Szene ist meiner Ansicht nach nicht als unsittlich anzusehen. Sie verdeutlicht lediglich auf humorvolle Weise Takis jugendlich ungeschickte Neugier am weiblichen Körper, der zu diesem Zeitpunkt ja sein eigener ist. Trotzdem macht sich der Regisseur Sorgen darüber, was die Leute heute über diese Szene denken, da die Toleranz bei sexuellem Humor gesunken sei.

Bei allem Respekt für die Opfer von sexuellen Übergriffen, und bei aller Verurteilung dieser Taten, habe ich das Gefühl, dass die Dinge die gezeigt oder gesagt werden dürfen immer mehr beschnitten werden, teilweise sogar von den Kreativen selbst. Entspringt diese Selbstzensur der Erkenntnis Verantwortung für die eigenen Werke zu übernehmen? Oder entspringt sie der Angst vor entrüsteten Stimmen? Bei zweiterem muss man sich fragen, entsteht diese Entrüstung zurecht? Es muss uns nicht alles gefallen, aber wir sollten nicht immer alles verdammen, wenn es uns mal nicht gefällt.

In einem anderen Zusammenhang (in einem Artikel den ich im Zuge meiner Arbeit erstellt habe) habe ich es schon einmal gesagt und wiederhole es hier leicht abgewandelt gern:

Nicht jedes dieser Motive ist automatisch als diskriminierend oder sexistisch zu verstehen. Nicht nur bei der Erstellung solcher Szenen, sondern auch bei deren Beurteilung obliegt uns allen die Verantwortung realistische Maßstäbe anzulegen, die dem Geiste einer freien, toleranten und demokratischen Gesellschaft entspricht.

Fazit

Regisseur Makoto Shinkai steht für ungewöhnliche, fantasievolle und tiefgreifende Geschichten. Für mich gehört sein bisher erfolgreichstes Werk Your Name zu einem der schönsten, gefühlvollsten Animes überhaupt. Dieser Film hat mich tief bewegt. Für Anime-Fans ist er meiner Ansicht nach ein absolutes Muss! Aber auch Menschen, die mit Animes, oder gar mit Phantastik weniger anfangen können, werden Your Name, aufgrund der erfrischenden und stellenweise mitreißenden Geschichte, vermutlich sehr kurzweilig finden.


Your Name – Gestern, Heute und für immer ist auf DVD und Blu-Ray erhältlich.

Tipp: Suzume no Tojimari, Shinkais neuester Film läuft bei uns in Deutschland ab 13. April 2023 im Kino

Weiterführende Links:

Umstrittene Szene. Das sagt der Regisseur

Bildquelle: © LEONINE Studios

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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