Michael Sagenhorn/ Januar 8, 2024/ Kino und Film/ 0Kommentare

2023 / FSK 12 / 140 Minuten

Die Superheldenmüdigkeit hat mich nach wie vor fest im Griff, wenn man mal von den Serien The Boys, Gen V und Invincible absieht. Aktuelle DC-Blockbuster wie The Flash oder Blue Beetle üben überhaupt keinen Reiz auf mich aus, genauso wenig wie die letzten Marvel-Valium-Tabletten zum Thema MCU, u.a. Thor 4, Wakanda Forever, Ant-Man 3.

Spider-Man: Across the Spider-Verse hat es nur deshalb geschafft, mich ins Kino zu locken, weil mir sein Vorgänger von 2018 Spider-Man: Into the Spider-Verse wahnsinnig viel Spaß gemacht hat. Hierzulande erhielt der Film den Nebentitel: A New Universe, den ich aber unsinnig finde. Daher belasse sich es beim Original.

Der Film war für mich ein richtiger Überraschungshit. Man kann den zweiten Teil schauen, ohne den ersten zu kennen, aber seht ihn euch trotzdem unbedingt vorher an, wenn ihr die Gelegenheit habt. Die Hauptfiguren Miles Morales, alias Spider-Man, und Gwen Stacy, alias Spider-Woman, werden im ersten Teil so menschlich und sympathisch eingeführt, dass ich unbedingt wissen wollte, wie es mit den beiden weitergeht. Ich sehnte mir so bald wie möglich eine Fortsetzung herbei.

Und hier ist sie nun! Aber reicht das neue Werk an den ersten Teil heran – wenigstens ansatzweise?

Handlung

Sechzehn Monate nach den Ereignissen von Spider-Man: Into the Spider-Verse schwingen sich Miles und Gwen immer noch in ihren jeweiligen Realitäten über die Dächer.

Gwen lebt auf Erde-65. Sie entfremdet sich zunehmend von ihrem Vater, Polizeichef George Stacy, der besessen davon ist, Spider-Woman zu verhaften, weil diese seiner Vorstellung nach, Gwens guten Freund Peter Parker eiskalt ermordet hat. Davon, dass Gwen eben jene Spider-Woman ist, und sie wegen Peters Tod bis heute leidet, ahnt der Polizeichef nichts.
Eines Nachts wird Gwen mit einem Schurken konfrontiert, der eindeutig nicht aus ihrem Universum kommt. Als sie den Kampf gegen ihn aufnimmt, kommen ihr überraschend zwei weitere Spider-Wesen zu Hilfe. Zum einem Miguel O’Hara, der Spider-Man von Erde-928 und zum anderen die schwangere Jessica Drew, Spider-Woman von Erde-332. Die haben den Schurken mittels Portal-Uhren verfolgt, mit denen sie alternative Realitäten besuchen können.
In diesen Kampf platzt nun auch Gwens Vater hinein, und als der Polizeichef Spider-Woman wieder einmal verhaften will, enthüllt Gwen ihre Identität. Aber bevor es dem geschockten Vater gelingt, sie schweren Herzens festzunehmen, schließt sich Gwen den beiden fremden Spider-Wesen an. Sie alle entkommen durch ein Portal und Gwen wird Mitglieder der sogenannten Spider-Society.

Miles Morales hat indessen auf Erde-1610 ganz andere Probleme. Er vermisst Gwen, die er seit dem ersten gemeinsamen Abenteuer nicht mehr gesehen hat, und versucht die schulischen Erwartungen seiner Eltern zu erfüllen. Nebenbei muss er auch den Pflichten als Spider-Man gerecht werden. Schule und Heldenleben sind jedoch nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen.
So muss sich Miles mit dem Schurken Spot herumschlagen, obwohl er eigentlich mit seinen Eltern zu einer Schulbesprechung eingeladen ist. Spot gibt Miles die Schuld an einen schweren Unfall, der dafür gesorgt hat, dass der Körper des Schurken Löcher wie ein Schweizer Käse aufweist, und zwar Dimensionslöcher.

Und genau wegen diesem Schurken besucht Gwen Erde-1610. Da sie Miles ebenso vermisst, wie er sie, nutzt sie die Gelegenheit, ihm einen Besuch abzustatten, obwohl ihr das von O’Hara untersagt worden ist.
Er und Jessica Drew wollen Miles auf keinen Fall in die Spider-Society aufnehmen. Die Wiedersehensfreude ist groß, und als Gwen später Miles wieder verlässt, folgt der ihr durch das Portal zu verrückten Welten in anderen Dimensionen.

Miles ist am Anfang fasziniert von den vielen Realitäten und Spider-Wesen, bis er von Miguel O‘Hara erfährt, wer er in Wirklichkeit ist. Von da ab wird Miles nicht nur von seinen Gegnern und Feinden gejagt, sondern auch von jenen, die er bisher für seine Freunde gehalten hat…

Die verschiedenen Spider-Man Varianten

Aufgrund der mehrdimensionalen Welten gibt es hier nicht einfach den ursprünglichen Spider-Man (Erde-616 / Erde Prime), den auch viele Nicht-Comic-Fans als Peter Parker kennen, jener Peter, der als Student von einer mutierten Spinne gebissen wird, und daraufhin Superkräfte erlangt.

Sondern es gibt unzählige Spider-Man Varianten. Gwen Stacy ist in der anfänglichen Geschichte Peter Parkers Freundin gewesen. Doch Gwen wurde vom Grünen Kobold entführt. Sie starb bei der Konfrontation zwischen dem Kobold und Spider-Man. Der Film The Amazing Spider-Man 2: Rise Of Electro mit Andrew Garfield als Spider-Man (Erde-120703), gibt diese Geschichte ganz gut wieder, auch wenn Spider-Mans Gegner hier ein anderer ist.

In Spider-Man: Across the Spider-Verse ist Gwen nun Spider-Gwen. Auf ihrer Erde verliefen die Ereignisse anders. Hier wurde Gwen von besagter Spinne gebissen, und Peter Parker, der zu einem Monster mutiert ist, wurde von ihr aus Versehen getötet. Gwen hat diese Tragödie nie ganz überwunden, und gibt sich immer noch die Schuld an Peters Tod. Allein schon dieser Nebenplot verleiht der Figur Gwen Stacy Tiefe. Gwen öffnet sich seitdem kaum noch anderen Menschen. Freundschaften schließt sie nichtmehr – bis sie Miles kennenlernt.

Auch er ist eine Spider-Man Variante. Auf Erde-1610 wurde Peter Parker im ersten Teil vom Superschurken Kingpin erschlagen. Miles, der Zeuge dieses Verbrechens war, hat daraufhin Peters Platz als Spider-Man eingenommen. Doch war dieser Platz überhaupt für ihn bestimmt gewesen? Dieser Frage geht Spider-Man: Across the Spider-Verse genauer nach.
Miles Morales und Gwen Stacy mögen zwar nur Varianten sein, aber für mich gehören die beiden in der Zwischenzeit zu meinen absoluten Marvel-Lieblingscharakteren. Sie stehen dem ursprünglichen Charakter Peter Parker in nichts nach.

Peter B. Parker ist eine weitere Variante, im gesetzten Alter. Auch ihn haben wir bereits im vorangegangenen Teil kennengelernt. Diesmal bringt er seine kleine, süße Tochter mit ins Abenteuer.

Penny Parker aus Teil 1 hat hier einen kleinen Gastauftritt. Penny ist eine Anime-Variante mit Roboterspinne, die mir als Anime-Fan natürlich besonders gut gefällt.

Aber es existieren noch viel verrücktere Varianten: Aus Teil 1 kennen wir schon Spider-Ham, ein Toon, das große Ähnlichkeit mit Schweinchen Dick hat. Doch im aktuellen Film erscheint er nicht. Stattdessen bekommen wir kurz einen Spider-T-Rex zu sehen, und sogar den Lego-Spider-Man. Und es gibt jede Menge tolle Cameos und Easter Eggs rund um das Spider-Man-Franchise.

Zwei neu hinzugekommene Varianten haben mir besonders gut gefallen: Pavitr Prabhakar, ein indischer Spider-Man und Hobie Brown aka Spider-Punk. Jeder bringt seinem ganz individuellen Zeichenstil mit.

Und der Vollständigkeit halber:
Erde-96283 ist die Welt von Tobi Maguires Spider-Man in der Sam Raimi Trilogie.
Erde-199999 beherbergt das MCU und somit auch den Spider-Man, der von Tom Holland gespielt wird.
Erde-13122: LEGO Marvel Universe.

Miles Morales und Gwen Stacy – Ein megastarkes Team

Viele Menschen loben diesen Spider-Man-Film als die beste Spider-Man Verfilmung überhaupt.
Wenn ich solche Superlativen höre ohne den Film zu kennen, bin ich zuerst einmal skeptisch. Gerade Spider-Man wurde mehrmals wirklich hervorragend umgesetzt. Nicht nur Spider-Man 1 und 2 von Regisseur Sam Raimi, oder Spider-Man: No Way Home, sondern auch der Vorgänger hat die Messlatte für den ‚besten Spider-Man-Film ever‘ sehr hoch gesetzt.

Natürlich ist alles eine Frage des persönlichen Geschmacks. Trotzdem muss ich diesem euphorischen Jubelchor beitreten. Auch für mich reicht Spider-Man: Across the Spider-Verse nicht nur an den Vorgänger heran, sondern er übertrifft ihn sogar.

Die Menschen, die Spider-Man: Across the Spider-Verse zum Besten Spider-Man-Film küren, haben sicher unterschiedliche Gründe dafür. Bei mir war die erfrischende Beziehung zwischen Miles und Gwen das Zünglein an der Waage. Ich mag Romanzen, wenn sie gutgeschrieben sind, echte Gefühle transportieren, statt schnulzig zu wirken, und auch eine ordentliche Portion Konflikte beinhalten.

Die Romanze zwischen Miles und Gwen ist genau nach meinem Geschmack. Sie ist eine der Besten, die Hollywood in den letzten Jahren in Filmen dieser Art abgeliefert hat. Wir verfolgen die Beziehung zwischen zwei jungen, sympathischen Figuren. Ihre tiefe Bindung zueinander ist spürbar, und muss nicht erst durch schmalzige oder generische Dialoge an uns herangetragen werden.
Wir erleben ein gleichberechtigtes Team. Jeder hat seine Stärken und Schwächen, jeder muss lernen, mit seinen Gefühlen umzugehen. Der Film ist ein Beispiel dafür, dass auch actionreiche Fantasyfilme durchaus in der Lage sind, starke menschliche Gefühle zu transportieren. Als Fan der Phantastik freut mich das besonders.

Bunte Farben und ein Wehrmutstropfen

Wie schon der erste Teil besticht auch Spider-Man: Across the Spider-Verse durch seine einmalige Animationskunst.

Der Film wirkt so, als hätten die Künstler großen Teils freie Hand gehabt, eigene Ideen umzusetzen. Zwar hält ein übergeordneter Zeichenstil alles zusammen, aber die einzelnen Welten werden durch unterschiedliche Zeichenstile noch stärker charakterisiert. Die jeweiligen Spider-Men behalten diesen Zeichenstil auch dann bei, wenn sie die Welten wechseln. Das sieht teilweise verrückt aus, passt aber richtig gut zu der Gesamtstimmung des Films. 

Manchmal wirkt der Zeichenstil ein bisschen unfertig. Auch das passt gut dazu, denn der Film endet mit einem Cliffhänger. Mitten in der Geschichte aufzuhören, ist ein unschöner Trend Hollywoods geworden. Die Geschichte ist also nicht auserzählt, sondern wird eine Fortsetzung bekommen.

Und hier der Wehrmutstropfen: Eigentlich hätte die Fortsetzung Spider-Man: Beyond the Spider-Verse Ende März 2024 in die Kinos kommen sollen. Dieser Termin ist wahrscheinlich nicht zu halten. Eher werden wir, so wie es aussieht, sogar bis 2026 warten müssen.
Einen Film wie diesen zu produzieren ist nun mal sehr aufwendig. Wurde dieser Teil bereits unter großen Termindruck erstellt, müsste dieser Druck sogar noch größer werden, wenn man rechtzeitig fertig werden wollte. 
Doch was hat es für einen Wert, ein so schönes Werk auf Kosten der Gesundheit der Künstler zu vollenden? Lieber ist mir, dass sich die Produzenten ihrer Verantwortung bewusst sind, und den Künstlern die Zeit gönnen, die das Fertigstellen benötigt, ohne dass deren Gesundheit darunter leidet.

Fazit

Spider-Man: Across the Spider-Verse ist das, was ich eigentlich von Dr. Strange: Multiverse of Madness erwartet hätte. Statt einer flachen, mutlosen Story bekommen wir hier tatsächlich ein Multiverse mit Tiefe, sowohl storytechnisch, als auch bei der Charakterentwicklung.

Die bunten Bilder und die rasante Aktion verbergen nicht, dass der Film vor allem eins ist: menschlich.

Neben der Beziehung zwischen Miles und Gwen, schwelt unter der Spider-Maske auch ein Generationenkonflikt. Miles, aber vor allem auch Gwen müssen sich Konflikten mit den Eltern stellen, und auch die Suche nach sich selbst ist ein wichtiges Thema.

Das alles macht Spider-Man: Across the Spider-Verse tatsächlich für mich zum besten Spider-Man Film. Es ist erste Superheldenfilm, den ich nicht nur als unterhaltsam, sondern sogar teilweise als mitreißend empfunden habe.

Spider-Man: Across the Spider-Verse ist auf Blu-Ray und DVD erhältlich und kann auf verschiedenen Streaming-Plattformen gestreamt werden.

Bildquelle: © Sony Pictures Entertainment GmbH

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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