Michael Sagenhorn/ Dezember 6, 2023/ Kino und Film/ 0Kommentare

1997 / FSK 12 / 128 Minuten

Prinzessin Mononoke beinhaltet im Kern wieder eine Mahnung an uns Menschen, Natur und Umwelt nicht bedenkenlos Fortschritt und Mammon zu opfern. Dabei bedient sich der Film aber nicht nur herkömmlicher Botschaften, sondern geht auch eigene Wege, und kommt ohne erhobenen Zeigefinder oder aufdringliche Belehrungen aus.

Regisseur und Drehbuchautor Hayao Miyazaki macht aus den Werten, die er uns vermitteln möchte ein unterhaltsames Abenteuer. So können wir uns ganz auf die Geschichte einlassen, die dem Produktionsunternehmen Studio Ghibli bei uns zu seinem Durchbruch verholfen hat. Achtung! Hier wird es zu leichten Spoilern kommen.

Handlung

Wir befinden uns im mystischen, mittelalterlichen Japan. Aus heiterem Himmel überfällt ein gewaltiger Keiler ein kleines, friedliebendes Dorf. Vor den Augen der entsetzten Bewohner verwandelt sich das rasende Tier in eine dämonische Kreatur. Zwar gelingt es dem jungen Prinz Ashitaka den Keiler zu stoppen, doch dabei zieht sich Ashitaka eine Wunde zu, die, wenn sie sein Herz erreicht, zu seinem Tod führt.

Daher beschließt Ashitaka sein Dorf zu verlassen. Er möchte die Zeit, die ihm noch bleibt nutzen, um nach dem Grund für den Angriff des Keilers suchen. Vielleicht ist es ihm dabei sogar möglich ein Gegenmittel zu finden. Der Prinz birgt eine Eisenkugel aus dem toten Leib des Keilers. Mit dieser Kugel im Gepäck bricht er auf nach Westen.
Nach mehreren Tagen begegnet er zwei Verletzten. Die beiden gehörten zu einer Karawane, die von riesigen Wölfen angegriffen worden ist. Auf diesen Wölfen reitet ein seltsames Mädchen: San. Sie ist bei ihnen aufgewachsen und kämpft an deren Seite.

Noch weiß Ashitaka nicht, dass diese San sein Leben maßgeblich beeinflussen wird. Fürs erste hilft er den beiden Verletzten wieder nach Hause zu kommen. Der Prinz erreicht die Palisaden einer vom Ödland umgebenen Eisenhütte, am Rande unzähliger gerodeter Bäume.

Ashitaka wird aufgrund seiner Hilfe freundlich von Herrin Eboshi, der Chefin der Eisenhütte, empfangen. Sie erzählt ihm, dass sie alle Bäume im Umkreis roden hat lassen, um mehr Erz schürfen zu können, aus dem dann u.a. auch Feuerwaffen hergestellt werden. Auch die Kugel die Ashitaka dem Leib des Keilers entnommen hat, ist hier gefertigt worden. Eboshi selbst hat diesen Keiler verwundet. Er hieß Nago, und der gerodete Wald ist sein Zuhause gewesen.
Eboshi tut es zwar leid, dass sie im Grunde schuld an Ashitakas Fluch ist, jedoch kann sie ihm auch nicht helfen, den Fluch aufzuheben.
In diesem Augenblick greifen San und die Wölfe an. Dies ist nicht nur der Moment, der das Schicksal von San und Ashitaka verknüpft, sondern es ist auch die Ouvertüre zur letzten Schlacht um die Zukunft des Waldes, die schon bald entbrennen wird…

Segen und Fluch des Eisens

Der Herrin Eboshi ist sehr wohl bewusst, dass sie der Umwelt großen Schaden zufügt. Als die Erzlager unter der Stadt erschöpft waren, hat sie begonnen den umliegenden Wald zu roden, was den Zorn seines Wächters hervorrief. Nagos Hass traf aber nicht sie, sondern unbeteiligte Menschen, die nur friedlich leben wollen. Nagos Fluch ist des Eisens Fluch, und er hat Ashitaka getroffen. Eboshi sagt, sie habe keine Ahnung, wie man diesen Fluch bricht (Die Geister, die ich rief…). Dessen ungeachtet möchte die Herrin aber weiteren Wald erschließen. Neues Unheil ist vorprogrammiert.

Zudem sorgt das Eisen für zusätzliche Konflikte. Die beiden Treiber der Karawane, wurden von Samurai verletzt, die Eboshis Karawanen immer wieder angreifen. Sie unterstehen Fürst Asano, der das Eisen stehlen – und ebenfalls für effektivere Waffen nutzen möchte.
Trotzdem ermöglicht die Eisenhütte deren Betreibern auch einen gewissen Wohlstand und damit verbunden ist eine höhere Selbstachtung. Den Dank dem Erzabbau führen die Bewohner der Stadt ein besseres Leben, als unter so manchen grausamen Fürsten.

Herrin Eboshi – Eine ehrenhafte Schurkin?

Wenn ich überhaupt etwas an Prinzessin Mononoke leise zu kritisieren habe, ist es die Antagonistin.
In japanischen Geschichten ist schon lange etwas etabliert, das Hollywood Blockbuster erst in jüngster Zeit mehr oder weniger schlecht in den Focus rücken: Den Antagonisten einen tieferen Charakter zu geben. Die ersten Gehversuche Hollywoods in dieser Richtung, sind noch ausbaufähig. Gute japanische Geschichten beherrschen diese Kunst schon seit mindestens über zwanzig Jahren. Aber mit Eboshi bin ich nicht so ganz zufrieden.

Oberflächlich betrachtet ist Eboshi eine typische Schurkin – keine Heldin, keine Anti-Heldin und schon gar kein Badass. Sie hat kein Problem damit, die Natur in ihrer Nähe zu zerstören. Die darin leben Tiere sind ihr egal. Ein echtes Einsehen für das Leid das sie verursacht hat sie nicht.
Ja mehr noch! Sie willigt nur zu gerne ein, bei der Tötung des legendären Waldgottes, den alle Waldbewohner verehren, zu helfen. Vordergründig, weil Sie Kaiser Mikado versprochen hat, ihm bei der Jagd nach dem Waldgott behilflich zu sein. Der Kaiser glaubt, der Kopf des Waldgottes verleihe ihm Unsterblichkeit.

Wichtiger für Eboshi ist jedoch, dass mit dem Verschwinden des Waldgottes, auch der Intellekt der magischen Tiere verschwindet. Die erhabenen Tiergötter schrumpfen dann zu ganz normalen Tieren, die sich leicht beherrschen oder überwältigen lassen.
Aber trotz ihrer bösen Absichten können wir uns in Eboshi hineinfühlen, weil sie vordergründig nicht zu ihrem eigenen Vorteil handelt. Nie wird sie von Niedertracht, Gier oder Machtgelüsten getrieben. Immer sind es menschlich nachvollziehbare, scheinbar ehrenhafte Motive: Ein besseres Leben, vor allem für ihre Bediensteten.

Auch unheilbar kranken Menschen gibt sie ein Zuhause. Bei ihr werden sie wie Menschen, und nicht wie Aussätzige behandelt, und sogar von ihr persönlich gepflegt. Zudem hofft sie, mit dem Blut des Waldgottes ein Heilmittel für die Kranken zu finden.
Sie kauft Frauen aus Bordellen frei, kämpft mutig an vorderster Front, ist höflich korrekt und trotz ihrer Macht frei von Allüren. Kurz: Sie ist eine charismatische, sympathische Anführerin. Die Verehrung der Menschen der Eisenhütte ist ihr sicher.

Aber! Warum ist sie so hilfsbereit, selbstlos und empathisch? Das wird nicht erklärt. Auf ihre Vergangenheit wird viel zu wenig eingegangen. Das macht diese Figur für mich zu einem sehr zwielichtigen Charakter.

Wenn ihre Motive so edel wären, warum kann sie sich dann nicht in die Bewohner des Waldes hineinfühlen? Ja, sie umsorgt die Kranken, aber diese Kranken benötigt sie auch um ihre Waffen zu bauen. Ja, sie befreit viele Frauen aus Bordellen, aber diese Frauen schuften im Eisenwerk – und das noch mit Freunden. Für mich handelt Eboshi sehr kalkulierend und kalt.

Sie möchte das Blut des Waldgottes nutzen um Kranke zu heilen, aber dass der Waldgott womöglich auch helfen könnte Ashitakas Fluch zu heilen, verrät sie dem Prinzen nicht, obwohl sie für diese Schlussfolgerung sicher klug genug ist.

Woher kommt Eboshi? Woher stammt ihr Kapital? Wir erfahren leider zu wenig über sie. Eines Tages tauchte sie in der Stadt auf, mit genug Männern und genug Geld, um Frauen aus Bordellen herauszukaufen. Hier hätte ich gerne mehr erfahren. Vielleicht versteckt sich hinter dieser entschlossenen Frau eine spannende Geschichte, die zusammenzureimen, dem Zuseher jedoch selbst überlassen wird.

In Prinzessin Mononoke stehen Baumgeister (die weißen Wesen) für einen gesunden Wald.

Der Waldgott, die Tiergötter und die Menschen

Hier entdecken wir drei Symbole. Am schnellsten erzählt ist der Mensch. Die Menschen der Eisenhütte sind Stellvertreter des modernen Menschen, der versucht die Umwelt in seinem Sinne zu formen. Eboshi ist der zündende Impuls, der uns aus der Steinzeit herauskatapultiert, und uns moderneres und effektiveres Werkzeug zur Verfügung stellt. Dass diese Veränderung der Gesellschaft nicht ohne Verluste vonstattengeht, zeigt Prinzessin Mononoke deutlich.

Die Tiergötter stehen für den alten Glauben, für unseren früheren Respekt vor der Schöpfung, mit der wir uns in alten Tagen verbunden gefühlt haben. Die wilde Natur, die uns in der Vergangenheit und auch noch heute das Fürchten lehrt, und daher domestiziert werden muss. Das entspricht Eboshis Wunsch, den Waldgott zu töten. Wenn die alten Götter ausgerottet sind, – wenn sich Affen, Wölfe und Wildschweine in normale, grunzende und brüllende Tiere verwandelt haben, so ihr Gedanke, entwickelt sich das Land in ein blühendes Reich, das vom Menschen beliebig geformt werden kann.
Vielleicht wird dieses Reich augenscheinlich an Attraktivität gewinnen, aber es wird auch das Wunderbare verlieren. Es bleibt kein Glaube, keine alten, tiefen Gedanken mehr übrig, nur noch hohle Dogmen, die wir lernen herunterzubeten.

Der Waldgott! Bei Tag eine hirschähnliche Kreatur, die den Wald beschützt; – nach Sonnenuntergang der Nachtwandler, ein gewaltiger fast durchscheinender Riese, der den Eindruck erweckt, als hätte er die Sterne verschluckt, da in seinem Inneren, unzählige Lichtpunkte erstrahlen.

Der Waldgott steht bei näherer Betrachtung für die lebendige Welt und das Leben selbst. Daher lässt sich der Kaiser verleiten, den Gerüchten vom ewigen Leben zu glauben, daher möchte auch Eboshi das Blut des Waldgottes nutzen um ihre Aussätzigen zu heilen.
Doch Eboshis naives Vorhaben den Waldgott zu töten, muss fast mit einem bedauernden Kopfschütteln quittiert werden. Ein Versuch ihm zu schaden führt nur dazu, dass man sich selbst schadet. Der Mensch kann zwar ohne Götter leben, aber er kann nicht ohne die Natur leben. Das Leid, dass man dieser lebendigen Welt zufügt, verwandelt sich in eigenes Leid. Wo vorher alles Leben erblühte, entsteht plötzlich Dürre und Fäulnis, und wir müssen erkennen wo unsere eigentlichen Schätze verborgen liegen. Im Showdown wird diese Erkenntnis selbst Eboshi zu ihrem Schrecken klar. Nicht alle Dummheiten sind mit ursprünglich ehrbaren Motiven zu rechtfertigen.

Fazit

Es hat sich in meiner Rezension ungewollt ergeben, dass deren Fokus eher auf Eboshi liegt, nicht auf der Titelheldin San oder Prinz Ashitaka. Die beiden sympathischen Helden versuchen mit Herz und Initiative die ihnen zugedachten Aufgaben zu erfüllen. Resignation oder Schicksalsergebenheit ist ihnen fremd. So sind sie es, die am Ende das Schicksal ihrer Welt in Händen halten. Aber der zündende Impuls der Geschichte ist die ambivalente Herrin Eboshi. Mit ihr wird uns ein Spiegel vorgehalten.

Am Ende kommt es zu einem alles entscheidenden, fast epischen aber doch tief in sich ruhenden Showdown. Die Männer der Eisenhütte stellen sich in einer letzten Schlacht, den gewaltigen Wildschweinen, während die Frauen die Stadt vor den Samurai von Fürst Asano verteidigen müssen. Indessen versuchen San und Ashitaka Herrin Eboshi aufzuhalten, die mit ausgewählten Jägern den Waldgott erlegen möchte.
Das Finale mündet in wirklich atemberaubende Bilder, bei denen ich das Glück hatte sie auf der großen Leinwand zu erleben.

Prinzessin Mononoke gehört zu Recht zu den Top-Produktionen von Studio Ghibli. Die Beliebtheit der Geschichte wird wahrscheinlich nur noch von Chihiros Reise ins Zauberland übertroffen. Auf diese Geschichte gehe ich in meiner nächsten Anime-Rezension ein. Ich selbst kann zwischen den beiden keinen klaren Favoriten bestimmen. Prinzessin Mononoke hat sich einen bleibenden Platz in meinem Film-Herzen erobert.

Große und kleine Phantasten sollten an dieser Geschichte Gefallen finden. Der Film ist auf Blu-Ray erhältlich, und kann auf Netflix gestreamt werden.

Bildquellen: © LEONINE Studios, Michael Schnitzenbaumer

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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