Michael Sagenhorn/ November 9, 2022/ Kino und Film/ 0Kommentare

© Amazon Studios

Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht

2022 / ab 16 Jahren/ Staffel 1, 8 Episoden, ca. 64 bis 70 Minuten

Für die Bewertung der Serie Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht muss ich quasi ‚ganz unten‘ an der Basis anfangen. 

Das bedeutet, dass ich nicht beurteilen werde, wie plausibel die Serie im Zusammenhang mit Tolkiens Werken ist. Ich lasse die komplette Lore beiseite. 

Auch auf die schauspielerische Leistung werde ich hier nicht eingehen, genauso wenig wie auf die zum Teil hoch emotionalen Diskurse, rund um die Serie, besonders was Diversität und politischen Zeitgeist anbelangt. Die oft sehr unglückliche Vermarktung ist hier ebenfalls kein Thema.

Nur die Serie an sich soll übrigbleiben, und ganz und gar für sich alleine stehen. Denn Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht ist meiner Ansicht nach, handwerklich so schlecht, dass die oben nicht berücksichtigten Punkte erst dann Erwähnung finden sollten, wenn wir auch nur annähernd so etwas wie eine solide Basis für eine glaubwürdige Geschichte haben. 

Ich bin davon überzeugt, dass trotz der bombastischen Bildgewalt, die die Serie bietet, Die Ringe der Macht bald der Bedeutungslosigkeit anheimfallen würde, hätte man nicht das Etikett ‚Der Herr der Ringe‘ darauf geklebt.

Für meine Bewertung sind zwei Punkte ausschlaggebend, die zum Handwerk des Geschichtenerzählens gehören, und die man hier auch nicht trennen sollte: Handlung und Charaktere. Allen voran der Hauptcharakter. Die Erläuterung zu dessen Einführung wird einen großen Teil dieses Artikels in Anspruch nehmen. Eigentlich hätte man dazu sogar einen eigenen Artikel schreiben können. Achtung! Hier wird es zu Spoilern kommen!

Galadriel – Wie entsteht eine seelenlose Figur?

Ich bin mal freundlich und betrachte Galadriel für meine Bewertung als einen völlig neuen Charakter, der in keinerlei Zusammenhang, mit der Galadriel steht, die wir aus den Filmen oder Büchern kennen. Tun wir so, als hätte diese Elbenkriegerin nur zufällig den gleichen Namen. Damit umgehen wir ganz praktisch alle Unstimmigkeiten, bezüglich der Lore. So müssen wir nicht darüber grübeln, ob die hier dargestellte Figur zu Tolkiens oder Jacksons Galadriel passt.

Die Story steht und fällt natürlich trotzdem mit ihr.  Wir brauchen einen Charakter mit dem wir mitfiebern können, – der uns die Story emotional näherbringt. 

Erfüllt die hiesige Galadriel diese Aufgabe? Nicht nur ich, sondern auch viele andere Fans sind der Meinung, dass die Galadriel der Amazon-Studios hierbei kläglich scheitert. Aber warum fällt es uns so schwer, uns mit ihr zu connecten?

Vielleicht gibt uns die absurde Einführung des Charakters näher Auskunft.

Zu Beginn der ersten Episode lernen wir Galadriel als Mädchen kennen. Sie möchte ein hübsches Origami-Schiffchen in einem Bach schwimmen lassen, doch andere Elbenkinder hänseln sie und versenken das Schiffchen mit einem Stein. Sie wird wütend, ihr Bruder kann gerade noch verhindern, dass sie eines der ‚bösen‘ Kinder zusammenschlägt…

– Diese Szene lassen wir jetzt mal so stehen. Ich komme später darauf zurück –

Nachdem der große Überfeind Morgoth besiegt worden ist, sucht die erwachsene Galadriel Jahrhunderte lang nach Morgoths mächtigsten Diener Sauron.

Die nun folgenden, dazu gehörenden Szenen aus dem Prolog, wurden im Netz heftig diskutiert.

Der erschöpfte Soldat:

Auf der Suche nach Sauron erklimmen die Elben bei Eiseskälte einen sturmumwehten Berg. Einer von Galadriels Kriegern fällt in den Schnee. Er ist mit seinen Kräften am Ende. Galadriel juckt das wenig: “Wir gehen weiter!“ Anschließend kommt sie anscheinend zur Besinnung und legt mütterlich einen dünnen Umhang um den erschöpften Soldaten.

Den Göttern sei Dank, wird genau in diesem Augenblick eine Festung Saurons offenbart. Schnitt! In der nächsten Szene hat man die scheinbar verlassene Festung bereits betreten. 

Das mag den Krieger vielleicht das Leben gerettet haben, aber Galadriel rettet es nicht davor, bei mir schon jetzt fleißig Antipathie-Punkte gesammelt zu haben.

Der Eistroll

In der Festung kommt es zum Kampf. Ein Eistroll empört sich. Er fühlt sich in seiner Ruhe gestört. Die gewöhnlichen Elbenkrieger-Fußsoldaten haben nicht den Hauch einer Chance gegen das boshafte Wesen. Erst Glory Galadriel macht den Troll im Alleingang den Garaus. 

Viele Gegner dieser Zurschaustellung einer einzelnen elbischen Kampfmaschine werfen das durchaus plausible Argument in den Raum, dass in Peter Jacksons Werk, bei einem vergleichbaren Kampf in Moria, mehr der Zusammenhalt hervorgehoben wird, weil der komplette Trupp der Gefährten gebraucht wird, um einen nicht minder mächtigen Höhlentroll zu besiegen. 

Ich sehe das trotzdem etwas anders. Während in Moria beim Kampf gegen den Höhlentroll, tatsächlich die gesamte Truppe im Mittelpunkt steht, nicht zuletzt deshalb, weil wir jeden einzelnen Charakter bereits kennengelernt haben und mit ihm mitfiebern, liegt beim Kampf gegen den Eistroll der Fokus allein auf Galadriel. Ihre Mitstreiter sind an der Stelle für uns völlig unbedeutend. 

Von dem her spricht von meiner Seite überhaupt nichts dagegen, dass Galadriel den Eistroll im Alleingang zerlegt. Aber der Weg bis zu diesem Kampf, führt nicht nur über die eisigen Hänge des Tolkien-Gebirges, sondern verstrickt sich auch im Labyrinth einer fadenscheinigen Erzählung, die nichts mit gutem Storytelling zu tun hat.

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Diesen Weg führe ich gleich weiter aus, aber vorher stelle ich die Frage: Wen von euch hätte es gestört, wenn nicht Galadriel, sondern Conan der Barbar den Unhold zerschmettert hätte? Vermutlich hätten wir Conans überlegenen Sieg kritiklos ‚gefeiert‘. Warum ist das so? 

Für eine Antwort nehmen wir den Schwarzenegger-Film von 1982 näher unter die Lupe!

Sehen wir uns an, wie Conan damals eingeführt wurde: In der ersten Szene lehrt Conans Vater den noch kleinen Conan, was es mit Vertrauen auf sich hat. Gleich danach überfällt der Erzbösewicht Thulsa Doom Conans Dorf. Wir erleben, wie die Bewohner des Dorfes abgeschlachtet werden, darunter ist auch Conans Vater. Conan selbst wird verkauft und verbringt seine Kindheit und Jugend in Gefangenschaft. Zuerst muss er harte Fronarbeit leisten, später steckt man ihn in die Arena, wo er seine Gegner der Reihe nach besiegt.

Auf die Frage, was für einen Mann das Schönste im Leben sei, antwortet der erwachsene Conan: „Zu kämpfen mit dem Feind, ihn zu verfolgen und zu vernichten, und sich zu erfreuen an dem Geschrei der Weiber.“

Schon gut, schon gut! Der Spruch ist natürlich nicht mehr ganz zeitgemäß, aber darum nennt man Conan ja auch einen Barbaren. In Conans kurzen Prolog haben wir hautnah miterlebt, wie ein roher, brutaler Krieger entstanden ist, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte. Wir wissen sofort, wen wir vor uns haben, auch ohne die Bücher und Comics über Conan zu kennen.

Würde Conan kurz nach seinem Prolog einen Eistroll mit blanker Faust erschlagen, wäre das für uns absolut stimmig. 

Vergleichen wir jetzt dagegen Galadriels filmischen Werdegang.

Zugegeben, natürlich ist Conan von der Statur her imposanter, als die kleine Elbin. Aber natürlich kann auch eine Kriegerin von gleicher Schlagkraft problemlos einen Eistroll töten. 

Aber was wissen wir bis dato über sie?

Galadriel ist eine ungewöhnlich schlechte Anführerin. Von Sauron besessen, stolpert sie durch die Jahrhunderte. Immer dabei, ist ihr Trupp armer Soldaten. So unfähig sie ist, Sauron zu finden, so unfähig ist sie auch, wahre Loyalität in ihrem Gefolge zu verankern, – oder zumindest die Motivation aufrecht zu erhalten, die Suche fortzusetzen. Die Soldaten sollen gefälligst weitermachen, damit sie ihren Rachedurst befriedigen kann. Basta! Galadriel ist überhaupt nicht willens auf andere zuzugehen, oder andere für ihre Sache zu begeistern. Wie wir später bei einem Streitgespräch mit Elornd erleben, sieht Galadriels Überzeugungsarbeit so aus: „Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe“.

Äh!…Ja… – Ich auch nicht. Was juckt mich da, was du gesehen hast? 

Dass dieses Verhalten auch bei ihren Soldaten nur Unmut erweckt, zumindest das wird in der Story richtig transportiert. Die Soldaten ‚meutern‘, gleich nach dem Kampf gegen den Eistroll. Sie haben genug von der Suche nach Sauron, und von Ihrer Anführerin.

Was hatte die Serie vorher sonst noch über Galadriel zu berichten?

Während Conans Vater Conan rät, nur seinem Schwert zu vertrauen, schwurbelt Galadriels Bruder Finrod bei Galadriel etwas über den Unterschied zwischen Papier und Stein (Der Stein sieht nicht nach oben – und geht deshalb unter… !?! … gut, dass wir darüber mal geredet haben…). 

Während wir erleben, wie in Conans Dorf alle Bewohner vor seinen Augen niedergemetzelt werden, sehen wir wie Galadriel einen Helm auf einen Helmhaufen legt, der so groß ist, dass er der Römerhelmsammlung von Obelix alle Ehre machen würde.

Was tun die Helme da? Augenscheinlich sind es die Helme der Gefallenen. Aber warum liegen sie hier auf einem Haufen? Vielleicht gibt es bei Tolkien darauf sogar eine Antwort. Die Serie liefert sie nicht.

Danach presst Galadriel eine Träne aus ihrer emotionslosen Miene. Sie ‚trauert‘ am Totenbett ihres verstorbenen Bruders.  Seitdem stolziert sie aufgeblasen wie ein Gockel, mit angefressenem, arrogantem Gesichtsausdruck durch die Geschichte.

Und nun wollen die Soldaten die Suche beenden. Kein Wunder, denke ich. Denn in meinen Augen ist Galadriel ein Ar…, und sie geht mir an dem Selbigen vorbei.

Kommen wir jetzt zu der Szene am Anfang zurück, als Galadriel noch ein Kind war, und sie von den anderen Kindern gehänselt wurde.

Für sich alleine gesehen, ist die Szene völlig überflüssig. Aber ich habe mich trotzdem gefragt: Was haben die anderen Kinder gegen sie? Sind diese Kinder nur neidische Är…? Oder war Galadriel damals schon ein Ar…, und wurde deswegen geärgert? Nun kann ich die Frage für mich beantworten (Anm.: Natürlich sollte übrigens niemand wegen irgendetwas gemoppt werden). 

Interessanter Weise ergibt die Anfangsszene erst mit dieser Erkenntnis so richtig Sinn, weil wir daraus einen Kontext ableiten können. Galadriel war schon als Kind ein schwieriger, unausstehlicher Charakter. Nur befürchte ich, dass es gar nicht in der Absicht der Drehbuchautoren lag, eine unsympathische Klugschwätzerin zu kreieren. 

Eher vermute ich, dass sie einen einnehmenden Charakter zeichnen wollten. Sie sind aber daran dermaßen gescheitert, dass sie bei der Einführung dieser Elbin noch ein unfreiwillig stimmiges Szenario entworfen haben, das ihren von Kindesbeinen an arroganten Charakter hervorhebt.

Galadriel ist nicht das einzige Opfer von schlechtem Storytelling und desaströsem Charakter-Building:

Die Einführung des Waldelb Arondir

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Leichtfüßig schlendert eine uns unbekannt Gestalt über den matschigen Weg, der durch ein Dorf der Südmenschen führt. Die Stimme, der Gang, der Blick – es ist Bronco

Denn nur jemand, der einem Western entlaufen ist, kann so schneidig und wacker wie ein 60er-Jahre-Cowboy durch die Siedlung der besetzten Menschen stolzieren. Sein Ziel: Der Saloon! Als er eintritt steckt sein Gesicht noch immer im Schatten seines Marshal-Huts…Moment! …. Falscher Film… Wir sind nach wie vor auf Mittelerde in Die Ringe der Macht

Das Ziel ist natürlich die Dorf-Schänke und aus dem Cowboyhut wird ein Elbencape.  – Trotzdem fällt es mir wirklich schwer nicht an einen Western zu denken. In einem Western würde unser Held wahrscheinlich kurz nach dem Betreten des Saloons Ärger bekommt. Und was passiert hier? Der Elbenwächter Arondir bekommt Ärger, kurz nachdem er die Schänke betreten hat.

Wer nun erwartet, eine wirklich famose Szene zu sehen, wie seinerzeit bei Clint Eastwood, z.B. in Eine Hand voll Dollar, als er die Halunken höflich gebeten hat, sich bei seinem Pferd zu entschuldigen, weil sie bei seiner Ankunft geschossen – und damit das Pferdchen erschreckt haben (1), den muss ich auf den Boden von Amazon-Mittelerde zurückholen.

Dieser Streit zwischen Arondir und einem jungen Südländer ist dermaßen hölzern und gestellt, dass man förmlich den Schweiß der Autoren riechen kann, weil ihnen nichts mit ein bisschen Verve eingefallen ist.  

Hölzern wirkt dieser Charakter auch weiterhin. Arondir ist wortkarg und schaut meist starr und abweisend drein, als hätte er schlecht geträumt. Vermutlich von Clint Eastwood, der in jungen Jahren seinen Job sicher besser hinbekommen hätte.

Was soll ich über Arondir sagen? Er haut mich nicht um.

Und die weiteren tragenden Charaktere?

Kopien, u.a. von den Jackson-Filmen! Halbrand ist ein Aragorn-Abklatsch, zumindest bis Episode 8. 

Statt mit Frodo und Sam könnten wir genauso gut mit den Harfüßen Nori und Poppy auf Reisen gehen, um einen gewissen Ring im Schicksalsberg zu versenken.

Die Regentin Miriel der Númenor, und die Südland Heilerin Bronwyn sind 1 zu 1 Kopien von Amazon-Galadriel. Die Drei könnten beliebig untereinander vertauscht werden, alle Szenen würden noch genauso funktionieren.

Und gibt es noch weitere Szenen, die ich ‚jetzt nicht so gelungen‘ finde?

Die Einführung der Harfüße ist im Prinzip ganz nett. Sie wirken am Anfang nicht unsympathisch, bis wir in Episode 3 erfahren, dass sie anscheinend ihre verwundeten Leute zurücklassen, oder wie darf ich das verstehen?

Bei einer Zeremonie vor der sog. ‚Wanderung‘, wird derer gedacht, die während- oder vor der Wanderung tödlich verunglückt sind, und daher quasi zurückgelassen werden mussten.

Aber Noris Eltern machen sich vor der Zeremonie schreckliche Sorgen, dass auch sie zurückgelassen werden, nur weil sich der Vater den Fuß verletzt hat. 

Es mag vielleicht Völker geben (in der realen Welt oder auch bei Tolkien), wo es durchaus Sinn machen könnte, dass Schwache zurückbleiben müssen. So wird uns das bei den Harfüßen aber nicht vermittelt. Sondern bei ihnen heißt es großspurig in ihrem rituellen Sprechgesang: „Niemand verlässt den Pfad, niemand wandert allein!“ Aber kaum, ist jemand verletzt wird er zurückgelassen? Hinterher kann man dann in einer Gedenkzeremonie Betroffenheit heucheln? In Episode 1 sagt Noris Mutter noch zu Nori zum Thema Gemeinschaft: „Wir sind füreinander da. So überleben wir!

Für Noris Familie ist am Ende niemand der eigenen Sippe da. Nur der Meteormann hilft ihnen bei der Wanderung. Für die Gemeinschaft der Harfüße habe ich nichts mehr übrig.

*

In Episode 2 flieht Galadriel von einem Schiff und hüpft ins offene Meer. Weit und breit kein Land in Sicht. Doch O Wunder, O Deus Ex Machina (2) die endlos scheinende See zaubert ein Floß mit Schiffbrüchigen hervor. Galadriel ist gerettet.

*

In Episode 6 verschwinden Galadriel und Gefolge in der pyroklastischen Wolke des ausbrechenden Schicksalsbergs. Die Autoren wissen anscheinend nicht, dass die Temperatur dieser pyroklastischen Wolken zwischen ca. 300 Grad und ca. 800 Grad liegt. Denn Galadriel hatte noch nicht einmal angesengte Haare. Aber wen kümmern schon solche unwichtigen Details? Ist ja nur Fantasy! Und Fantasy ist bekanntlich frei von sämtlichen physikalischen Gesetzen. Wäre Pompeji doch nur auf Mittelerde gewesen…

*

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Ohne Erklärung was sie dazu befähigt, meint Bronwyn in Episode 5, plötzlich ihr heimatliches Dorf anführen zu können. Klar kann sie das! Sie ist ja auch eine Galadriel-Kopie.

Sie hält eine Ansprache, die die Dorfbewohner ermuntern soll, sich den Orks mutig entgegenzustellen: „Wer kämpft mit mir?“, fragt Sie.

Während sich die eine Hälfte des Dorfes den Orks anschließen will (miese Idee), steht die andere Hälfte auf der Seite der Heilerin. Alles kampfunerfahrene Bauern, Handwerker, und wer sonst noch so nie eine Waffe geführt haben dürfte (3).

Gemeinsam mit den Glorreichen Zwei Arondir und Bronwyn will die eine Hälfte unserer Dorfbewohner also kämpfen, – gegen Orks, die nur eins kennen: Kämpfen, töten massakrieren…

Ich weiß nicht! Jeder geistig vernünftige Mensch (oder Elb) würde doch das Gleiche tun, was wir HIER auf unserer Welt tagtäglich bei Krieg erleben: Abhauen, so schnell die Füße tragen! Auch hier keine Erklärung, warum die Option der Flucht nicht in Frage kommt.

Was soll’s! Am Ende reitet ohnehin plötzlich die Kavallerie an, und alles löst sich in Wohlgefallen auf. Woher die Númenor-Soldaten wohl all die Pferde haben? Auf den drei kleinen Schiffen, mit denen sie übergesetzt haben, können sie ja nicht gewesen sein. Ach, was frage ich…Fantasy! Da kann man froh sein, dass sie nicht auf Schmetterlingen reiten.

Und was hat mir gefallen?

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Tatsächlich soll nicht nur genörgelt werden. Es gab auch Momente, die mich gut unterhalten haben. Dazu gehört der Storystrang der sich dem Bau der Elben-Schmiede widmet. 

Allen voran die Freundschaft zwischen Elrond und dem Zwergen Prinz Durin IV. ist schon unterhaltsam inszeniert. Sie behandelt zumindest auch die unterschiedlichen Lebensspannen der Völker. Zumindest hier wird dieses Thema anschaulich und humorvoll angeschnitten, weil Elrond sich 20 Jahre nicht mehr bei seinem Freund Durin hat blicken lassen. Natürlich ist der Zwerg zurecht schwer beleidigt, weil Elornd viele Stationen von Durins Leben gar nicht mitbekommen hat.

Elrond hingegen ist zuerst verwundert. 20 Jahre sind auch für einen Halbelb nur ein Wimpernschlag. Und jemand, der nur unter Elben lebt, hat ein anderes Gefühl für Zeit. Durin musste ihm erst erklären, wie bedeutsam 20 Jahre für kurzlebigere Völker sind.

Die Dynamik zwischen Durin und Elornd ist eins der positiv hervorzuhebenden Elemente der Serie. Diese Dynamik hätte ich mir auch bei anderen Charakteren gewünscht. An tiefen Gefühlen fehlt es der Serie ohnehin.

*

Die Orks waren stellenweise gut gemacht. – Mit Abstrichen, denn den Orks fast die gleiche Sonnenlichtempfindlichkeit anzudichten, wie Vampiren, war einfach nur ein Kniff die Sonne als Deus Ex Machina (4) zu nutzen… Doch halt! Ich wollte in diesem Abschnitt mal nicht nörgeln.

*

Und… ach ja! Es gab zwar viele unnötig aufgeblähte und hochtrabende Textpassagen, bzw. Dialoge. Aber eine dieser Passagen hat mir tatsächlich gut gefallen. Es handelt sich um den Monolog von Herrn Celebrimbor dem Ringeschmied, die Schönheit der Silmaril-Edelsteine betreffend.

Weil Elrond Feanors (5) Hammer bewundert, hält Celebrimbor einen Vortrag darüber, wie Morgoth wochenlang ins Innere der Silmaril starrte, weil er sie so betörend fand. Bis eine Träne Morgoths auf die Juwelen fiel, und er sein eigenes verdorbenes Wesen erblickte. Von da ab wollte er sie niemer sehen. Celebrimbor endet mit „Feanors Werk erreichte fast das Herz des großen Feindes“.

Auch wenn diese Anekdote nicht von Tolkien stammt, und im Grunde genommen nicht zu Morgoth passt, gefällt sie mir, weil sie die Einzigartigkeit dieser wundervollen und trotzdem fatalen Kunstwerke sehr gut einfängt. Wer Mittelerde nur aus Filmen kennt, wird gar nicht wissen, wie bedeutsam die Silmaril in Tolkiens Werken sind. 

Fazit

Die erste Staffel von Die Ringe der Macht ist in meinen Augen zu zäh und zu langweilig. Zu vorhersehbar die Handlung, keine Überraschungen, keine tiefen Dramen. Da gibt es nichts schönzureden.

Ich lasse nicht gelten, dass die Macher das ganze Umfeld und die Geschichte erst mal aufbauen müssen, und von dem her die Story nur langsam Fahrt aufnehmen kann. Und überhaupt seien ja sowieso 5 Staffeln geplant. Andere Geschichten schaffen es, schneller auf den Punkt zu kommen. Zudem kann das auch keine Rechtfertigung für schlechtes Charakterbuilding und Storytelling sein. 

Ist die Serie nun zum Scheitern verurteilt? Nicht unbedingt! Das Potential wäre ja da. Gerade die letzte Folge lässt dieses Potential erahnen. Sie war die am wenigsten langweilige Folge. 

Meine Empfehlung wäre jedoch einen Teil der Unsumme, die die Serie gekostet hat, klug in neue Autoren zu investierten. Anderenfalls bleibt Die Ringe der Macht, wahrscheinlich das, was sie gegenwärtig ist: Unteres Mittelmaß, dass man gern nebenherlaufen lassen kann, wenn man z.B. ein Puzzle zusammensteckt, an einer Geburtstagsliste arbeitet oder Tabletop-Armeen für Der Herr der Ringe bemalt.

© Amazon Studios

Zum Ende möchte ich euch noch eine wunderbare Meinung zu Die Ringe der Macht ans Herz legen. Sie ist ruhig und ohne böse Worte vorgetragen, von einem YouTuber, der die Werke Tolkiens sehr gut kennt. Eins seiner Zitate zu dieser Serie: „Die Serie ist wie Fast Food: Du fühlst dich satt, aber nicht glücklich.“ Er spricht mir aus dem Herzen.

Doctor Alzheimers Academia Magica: https://www.youtube.com/watch?v=mUWteqYvdMo

Für alle, die mehr über die Ungereimtheiten der Geschichte erfahren möchten, noch ein Link-Tipp zu einem neuen YouTube-Filmkanal, der die wesentlichen Logiklöcher unterhaltsam auf den Punkt bringt, und zwar viel ausführlicher, als ich es mit diesem Artikel kann.

MovieAmphs: https://www.youtube.com/watch?v=FAR0xPIuuic

Fußnoten:

(1) Ja ich weiß! Der Streit fand nicht im Saloon statt, sondern auf offener Straße. Aber ich kann euch gar nicht sagen, wie egal mir das ist.

(2) Unmotivierte Lösung im Drehbuch, eines scheinbar unlösbaren Problems.

(3) Woher sollten die Südländer den Umgang mit Waffen auch gelernt haben, wenn sie bis dato seit Morgoths Fall von den Elben besetzt waren.

(4) Siehe Fußnote 2. Die Orks hätten unsere Helden in einer Szene eigentlich abschlachten können. Aber sie werden von der Sonne zurückgehalten. Daher gelingt den Helden die Flucht.

(5) Feanor war ein berühmter Elben-Schmid und Schöpfer der 3 Silmaril.

Bildquelle: © Amazon Studios

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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