Michael Sagenhorn/ Mai 2, 2022/ Kino und Film, Zeitgeist/ 0Kommentare

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Die Filmproduktionsfirma Amazon Studios hat im letzten Jahr neue Diversität-Richtlinien erlassen, um ein Zeichen gegen Diskriminierung in der Unterhaltungsindustrie zu setzen.


Bevor ich darauf eingehe möchte ich kurz meine Sichtweise zum Thema Diversität, bzw. kulturelle und ethnische Unterschiede darlegen. Mir geht es genau wie anderen Phantastik-Fans, die ich kennengelernt habe: Es fällt uns relativ leicht anderen Gruppen, Völkern und Kulturen offen zu begegnen. Phantastische Geschichten haben uns hier entscheidend mitgeprägt, weil darin kulturelle Unterschiede eine wichtige Rolle spielen können.


Anders ist nicht besser. Anders ist nicht schlechter. Anders ist einfach nur anders – und vollkommen wertfrei. Und gerade das macht Anders so interessant. Anders ohne einen Zusammenhang ist nicht mehr als ein abstrakter Begriff.


Als Schriftsteller kann ich dieses Anders jedoch mit Leben füllen, und zu etwas ganz Besonderen machen. Phantastische Geschichten haben den Vorteil über die Grenzen unserer Realität hinaus zu gehen. Gerade in den Genres Science-Fiction und Fantasy treffen wir nicht nur auf Menschen unterschiedlicher Wurzeln, sondern auch auf Orks, Elben, Zwerge, Vulkanier, Organier, Klingonen und so weiter, und so fort…
Wenn man von klein auf für solche Geschichten empfänglich ist, begegnet man auch realen anderen Kulturen und Völkern mit eben jener Offenheit, von der ich sprach. Man bewahrt sich die Neugier, anstatt Fremdes abzulehnen, nur weil es nicht Teil der eigenen Kultur ist. Ja, fremde Kulturen sind immer noch anders, aber womöglich macht sie das interessant? Ich bemühe mich, mir meine Offenheit zu bewahren.

Die Amazon Diversität-Richtlinien
Doch nun betrachten wir die Richtlinien von Amazon ein wenig näher, beschäftigen uns mit deren Auswirkungen für Kunst und Kultur, und suchen uns entsprechende Beispiele aus den bisherigen oder kommenden Produktionen. Da mir die Phantastik als Schriftsteller und Konsument besonders am Herzen liegt, werde ich die Amazon Produktionen Das Rad der Zeit und Herr der Ringe – Die Ringe der Macht näher in Augenschein nehmen.


Was sind die Amazon Diversität-Richtlinien überhaupt?

© michael schnitzenbaumer

Dieses Regelwerk soll z.B.

  • die Darstellung von Minderheiten fördern
  • der Trivialisierung von Religionen entgegenwirken
  • dazu beitragen, entsprechende Rollen mit den richtigen Darstellern zu besetzen, um die Identität der betreffenden Rolle zu wahren.
  • insbesonders bei weiblichen Charakteren oder unterrepräsentierten ethnischen Gruppen Stereotype oder gängige Phrasen vermeiden helfen.

Oberflächlich betrachtet hört sich das alles so an, als würde Amazon seinen Teil dazu beitragen wollen, unsere Gesellschaft offener und gerechter zu gestalten. Leider ist genau das Gegenteil der Fall.
Ob der Ursprung dieses Regelwerks tatsächlich hehre Ziele verfolgt, oder andere Motive zu dessen Entstehung beigetragen haben, vermag ich nicht zu beurteilen. Bestenfalls wurden die Regeln im Übereifer erstellt und nicht zu Ende gedacht. Jedoch kann ich Schlüsse ziehen, welche Auswirkungen das Regelwerk auf Kunst und Kultur hat.

Gerade bei der Auswahl der Schauspieler kann es nun zu großen Problemen kommen. Denn hier ist nun entscheidend, ob deren Identität mit der Identität der Figuren, die sie spielen übereinstimmt. Beispielsweise dürfen homosexuelle Rollen nur noch von homosexuellen Schauspielern übernommen werden. Das Ganze kann natürlich im Umkehrschluss nur bedeuten, dass homosexuelle Schauspieler nicht mehr bei heterosexuellen Rollen berücksichtigt werden dürfen. Das geht sogar so weit, dass die Rolle eines Deutschen nur noch von einem deutschen Schauspieler verkörpert werden darf. Die Rolle eines Moslems darf nur noch von Muslimen besetzt werden usw. Der Einengung sind keine Grenzen gesetzt. Wir werden sehen, ob das in zukünftigen Produktionen tatsächlich in die Praxis umgesetzt wird.

Besonders interessant wird es bei Filmen wie Forrest Gump oder Rainman. Wer verkörpert in Zukunft ähnliche Titelrollen? Oder werden solche Filme nicht mehr gedreht? Schließt man dadurch bestimmte Gruppen nicht eher aus? Und ich will jetzt gar nicht mit so verrückten Fragen kommen, wer nun Nazis, Serienmörder oder Kinderschänder spielen soll.


Weil allein schon die Beispiele davor zeigen, dass von der Kunst der Schauspielerei nichtmehr viel übrigbleibt. Die wird kastriert und verstümmelt zu einer Farce, die einmal Kunst gewesen ist. Schauspieler dürfen sich nicht mehr in verschiedenen Rollen versuchen, sondern sind festgelegt auf das, was sie im wahren Leben ohnehin verkörpern. Dies ist nicht nur ein Angriff auf den Berufsstand sondern auch ein Angriff auf die Kunst selbst.
Auch die Freiheit von Regisseuren, von Drehbuchautoren und -Autorinnen und allen anderen Kreativen einer Filmproduktion wird beschnitten.

Wokeness um jeden Preis!
Das Ganze könnte man noch mit einem gleichmütigen Kopfschütteln quitieren, wenn Amazon nicht ein Gigant der Filmbranche wäre. Es ist gut vorstellbar, dass andere Produktionsfirmen nachziehen, besonders weil Wokeness in Hollywood gerade on vogue ist. Das sog. Amazon Playbook fordert zudem, dass bis 2024 die kreativen Rollen einer Produktion zu 50% aus Frauen und unterrepräsentierten rassischen und ethnischen Gruppen bestehen muss.

Schauspieler, aber auch Menschen hinter der Kamera sind in Zukunft verpflichtet zumindest indirekt u.a. ihre intimsten Details aus dem Privatleben offenzulegen, wenn sie bei bestimmten Produktionen arbeiten wollen.
Aber vielleicht will sich nicht jeder homosexuelle Schauspieler outen. Vielleicht geht uns die sexuelle Ausrichtung der Schauspieler auch einfach nichts an.
Vielleicht will man auch dem Studio nicht die eigene Krankengeschichte erzählen, falls man für eine entsprechende Rolle infrage käme. Es ist doch Sache des Schauspielers, was er von einer möglichen Krankheit preisgibt.
Halten die dafür Verantwortlichen ihre Regeln tatsächlich für eine gute Idee, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen?

Die Richtlinien in der Praxis
Für diesen Artikel habe ich viele Zuschauer-Meinungen über die Serie Das Rad der Zeit, studiert, – sowohl professionelle Meinungen, als auch User-Kritiken. Bei mir selbst hält sich die Begeisterung für die Serie in Grenzen – nett ausgedrückt. Die Bücher kenne ich nicht. Es gab durchaus positives Feedback, aber viele Fans der Bücher waren auch enttäuscht, weil ihnen vertraute Elemente im Sinne des aktuell vorherrschenden politischen Zeitgeists umgeschrieben wurden. Trotzdem, – oder gerade deswegen habe ich zumindest den ersten Band schon als Lesestoff für ruhige Abende vermerkt. Die Geschichte an sich klingt nämlich wahnsinnig interessant.


Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht startet erst am 2. September 2022. Von dem her kenne ich nur den Teaser. Hier ist meine Vorfreude trotzdem sehr verhalten. Zu aufdringlich poltert derzeit die Werbetrommel. Warum kauft Amazon in mehreren Ländern Influencer als sogenannte Super-Fans? Die englischen Super-Fans strengen sich an, den bunten Cast ins positive Licht zu rücken, die deutschen Influencer plaudern im Prinzip nur heiße Luft.

Und wie wirkt es sich auf die Handlung aus, dass nur beschränkte Markenrechte erworben worden sind, wie wir durch ein Interview der Showrunner der Serie mit dem US-Magazin Vanty Fair erfahren haben? In dem Interview teilen Patrick McKay und JD Payne mit, dass man nur Rechte für Der Herr der Ringe mit Anhängen und Der Hobbit erworben habe. Rechte an anderen Geschichten, z.B. Silmarillion gibt es nicht.
Man darf gespannt sein, was die Showrunner daraus machen, denn die Geschichte spielt während des zweiten Zeitalters, nicht während des dritten Zeitalters, das wir aus Der Herr der Ringe und Der Hobbit kennen. In der Serie soll der Aufstieg Saurons und der Untergang von Númenor im Mittelpunkt stehen. Dabei hat man sich vorgenommen, eine Geschichte zu erzählen, die Tolkien nie geschrieben hat.

Deswegen muss die Geschichte nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sein. Schließlich kann nicht nur Tolkien großartige Geschichten schreiben. Aber wenn die Verantwortlichen so überzeugt von ihrer Story sind, warum brauchen sie dann die sogenannten Super-Fans, die die tolle, diverse Besetzung über den Klee loben? Möchte man nicht eher mit der Geschichte überzeugen?

Das Rad der Zeit

© Amazon Studios

Zuerst mal möchte ich festhalten, dass wir bei der Betrachtung der Serie die gleichen Maßstäbe ansetzen sollten, die auch wir uns von den Produzenten wünschen.


Beispielsweise regen sich enttäuschte Stimmen, weil der Gaukler Thom Merrillin anders gekleidet ist, und eine Gitarre spielt, statt eine Harfe oder Flöte.


Auch die Buchvorlage – so gefeiert sie auch ist – sollte dem Medium Film keine Ketten anlegen. Den Machern muss es selbstverständlich gestattet sein, ihre Vision der Geschichte umzusetzen, ohne sich sklavisch an die Buchvorlage halten zu müssen.

Aber bei der Umsetzung des Buches sollten unbedingt die Kernelemente der Geschichte erhalten bleiben. Sonst kann man ja gleich eine neue Geschichte schreiben.
Das Geschlecht des Drachen ist ein prominentes Beispiel für ein solches Kernelement. Das Geschlecht des Drachen ist aus gutem Grund männlich, – nicht männlich oder weiblich.

Genauso wenig sollte man Charaktere zugunsten einer politischen Agenda komplett verändern. Das fängt bei Perrin Aybara, einem Hauptcharakter an, und hört bei Nebencharakteren wie Abell Cauthon auf. Perrin ist im Buch ein frommer, verlässlicher und fleißiger Bursche. In der Serie wird ihm eine Ehefrau zur Seite gestellt, die die harte Arbeit in der Schmiede ganz alleine wuppt, während er mit Kumpels in der Schenke einen ‚lüpfen‘ geht.


Abell, der Vater eines Hauptcharakters, ist im Buch ein ehrenhafter Ehemann und Vater. In der Serie wird er als Schürzenjäger und Säufer dargestellt, der vor seiner Frau mit anderen Frauen anbandelt.

Der Respekt vor diesen (männlichen) Figuren ist hier völlig abhandengekommen, während andere (weibliche) Figuren überhöht dargestellt werden. Was will man mir also mit dieser Botschaft, gerade da ich ein Mann bin, vermitteln? Besonders da sie in einigen Kreisen als zeitgemäß gilt.
In diesem Zusammenhang wird auch oft auf Regisseur Peter Jackson und seine Mittelerde-Filme verwiesen. Ja, auch Peter Jackson hat Tolkiens Werk verändert. Nicht alle Änderungen gefallen mir. Aber er hat ‚Der Herr der Ringe‘ und seinen Charakteren immer den Respekt erwiesen, den sie verdienen.

Diversität in kleinen Dörfern:
In Foren wird über die Fehlbesetzung des bunt gemischten Cast der Dorfbewohner diskutiert. Obwohl die Buchvorlage aufgrund einer abwechslungsreichen Welt Diversität bereits erfüllt, musste bei den Dorfbewohnern noch ‚eins draufgesetzt‘ werden. Auch ich gebe gerne zu, man müsste mir schon eine gute Erklärung für die unterschiedlichen reinblütigen Ethnien liefern, die seit Generationen in einem abgeschiedenen Bauerndorf leben. Keine Vermischung unter den Völkern, in einem so kleinen Dorf? So gar nicht?

Hier haben wohl nicht Autoren und Drehbuchschreiber das Zepter der Handlung geschwungen, sondern Amazons Diversity Berater. Und ich frage mich unweigerlich: Haben hier auch wirklich die besten Schauspieler, die sie kriegen konnten eine Rolle bekommen? Oder lag es eher an der Ethnie, die sie repräsentieren? Bis auf die von Rosamund Pike, konnte mich keine schauspielerische Leistung überzeugen. Alles wird irgendwie nett und oberflächlich runter-gespielt, selbst dann, wenn sich Dramen ereignen.

Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht

© Amazon Studios

Bleiben wir auch bei dieser Serie beim Cast, der besonders in den USA heftig diskutiert wird. Allen voran erhitzen dunkelhäutige Elben und dunkelhäutige Zwerge die Gemüter, und spalten weltweit traditionelle Tolkien-Fans und Woke-Anhänger. Besonders wenn die POC-Zwerge auch noch weiblich sind aber keine Bärte tragen.
Ich kann wirklich nicht beurteilen, ob man Tolkiens Erbe mit Füßen tritt, wenn man Zwergendamen ohne Bärte darstellt. Dazu müsste ich Tolkiens persönliche Meinung kennen. Mir selbst ist völlig egal, ob weibliche Zwerge einen Bart haben oder nicht, auch wenn sie in den Büchern so beschrieben werden.

Bei der Hautfarbe sieht es ein bisschen anders aus. Unsere Haut färbt sich ja nicht aus Jux und Tollerei. Sie färbt sich auch nicht, damit wir uns wegen der Unterschiede in die Haare kriegen können. Der Grund liegt an Mutter Natur. Bei dunkelhäutigen Zwergen würde ich mich ebenfalls über einen glaubhaften Grund freuen, warum Zwerge, die ja hauptsächlich unter Tage leben, und daher blass wie die Geister sein müssten, mit einem Teint gesegnet sind, als wären sie seit Generationen in der Karibik beheimatet.


Für manche mag das nebensächlich sein. “Ist ja nur Fantasy! In Welten mit Magiern, Feen oder Fabelwesen, brauche ich sowieso keine Logik!” Wenn sich diese Leute damit zufriedengeben, soll es so sein. Für mich sind solche Details aber wichtig. Wenn die nicht stimmen, kann ich die ganze Geschichte nicht richtig ernst nehmen.

Fazit
Dieses Regelwerk zeugt von einer falschen und verlogenen Identitätspolitik. Es ist ein Angriff auf die Kunst und schafft das Gegenteil von dem was es schaffen will: Offenheit für Vielfalt.
Stattdessen wird die Kunst in Ketten gelegt und die Gesellschaft noch mehr gespalten. Hier sollte dringend nachgebessert werden.

Weder Kunst noch Diversität kann man einfach in Regelwerke pressen. Begabte Autoren aller Geschlechter und Ethnien können hier viel sinnvollere Arbeit durch ihre Geschichten leisten, als Konzerne, die seelenlose Pamphlete verfassen.

Wenn Firmen die Arbeit dieser Künstler wirklich unterstützen wollen, sind sie herzlich willkommen. Jedoch sollen sie es unterlassen, Kreativen Fesseln anzulegen und ihnen vorzuschreiben sich an Regeln zu halten, die sie wahrscheinlich nicht mal selbst verstehen.
Amazon verübt gerade einen Angriff auf das, was viele Menschen lieben: Die Fantasie.

Eine meines Erachtens sehr gute Kritik zu ‘Rad der Zeit’, aus der Süddeutschen Zeitung möchte ich hier kurz empfehlen. Diese Meinung zu der Serie gibt im vollen Umfang auch meine Meinung wider.

Links zu den Amazon Richtlinien

Amazon Inclusion Policy

Amazon Inclusion Playbook

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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