Michael Sagenhorn/ August 2, 2022/ Kino und Film/ 0Kommentare

1982 / FSK 12 / 1h 29 min

Neben Krieg der Sterne, Krull und Das Letzte Einhorn, gehörte Der Dunkle Kristall in meiner Jugendzeit zu den Filmen, die das Kino zu einem wahren Erlebnis gemacht haben. Es war einer jener ganz wenigen Filme, die mir noch tagelang im Kopf herumgespukt sind.
Damals war der Der Dunkle Kristall etwas Neues, das besonders die Fantasie der jungen Zuseher beflügelt hat. Die Ästhetik dieser faszinierenden, fremden und einzigartigen Welt ohne Menschen – von der wir damals noch nicht einmal den Namen kannten – verwandelte den Lichtspielsaal in ein Sternentor.


40 Jahre ist es nun her, seit der Erfinder der Muppets Jim Henson sein Puppenabenteuer um Jen und Kira auf die große Leinwand gebracht hat. Vielleicht erscheint die Puppentechnik heute etwas ungelenk, die Geschichte hat aber nichts von ihrem Zauber verloren, und die Puppen verleihen dem Film einen besonderen Charme.

Handlung
1000 Jahre regieren die machthungrigen Skekse mit Hilfe des Dunklen Kristalls eine fremdartige Welt. 1000 Jahre haben sie dem Kristall seine Macht entzogen, um mit seiner Hilfe eine Schreckensherrschaft zu errichten. Doch nun leben nur noch 10 von ihnen.
Auch die gütigen Urus, weise Mystiker die ein bescheidenes Leben führen, sind dem Aussterben nahe. Auch von ihnen existieren nur noch 10. Beim Weisesten der Urus wächst der junge Gelfling Jen heran. Von dem Weisesten hat Jen erfahren, dass er der letzte Gelfling ist. Die Skekse haben alle Gelflinge ermordet, denn laut einer Prophezeiung kann nur durch Gelfling-Hand der Dunkle Kristall geheilt und der Herrschaft der Skekse ein Ende gesetzt werden.

Für Jen ist nun die Zeit gekommen, die Urus zu verlassen, damit er sein Schicksal erfülle und die Welt von den Skeksen befreit. Auf seiner abenteuerlichen Reise begegnet er nicht nur der kauzigen Aughra, die ihm einen Splitter des Dunklen Kristalls schenkt, sondern er trifft zu seiner Überraschung auch das Gelflingmädchen Kira. Sie ist der Beweis, dass er doch nicht der letzte seiner Art ist. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zur Burg der Skekse.
Doch die Zeit drängt! Wie schon vor 1000 Jahren steht eine neue Konjunktion der drei Sonnen bevor. Gelingt es ihnen nicht, den Kristall zu heilen, bevor die Dreier-Sonne wie eine große Sonne scheint, werden die Skekse ewig herrschen…

Jen, Kira und Fizzgig

Die Tragödie des Völkermords
Aufgrund der Prophezeiung haben die Skekse alle Gelflinge vernichtet. Nur Jen und Kira überlebten als Säuglinge dieses unvorstellbare Massaker. Schon allein deshalb fühlen wir uns vom ersten Augenblick an zu diesen filigranen Elfenwesen hingezogen.
Wir begleiten zwei mutige aber unerfahrene Jugendliche auf ihrer Reise zum Dunklen Kristall. Die Aussichten diesen tatsächlich zu heilen sind bestenfalls trübe. Doch wir wissen, wir befinden uns in einer Art Märchen. Die beiden Protagonisten agieren zumeist geschickt, so dass wir zuversichtlich sind, dass die Geschichte hoffentlich gut enden wird.

Auf der anderen Seite erleben wir die Skekse als urtypische Vertreter aller Bosheiten. Allen voran bestimmen der herrschsüchtige General und der intrigante, winselnde Kammerherr (Chamberlain) das Geschehen im Schloss. Um sie scharen sich die anderen Skekse, wie zum Beispiel der prunksüchtige Schatzmeister (Treasurer), der eitle Dekorateur (Ornamentalist), der Bewahrer der Schriften (Scroll-Keeper).
Dem sadistischen Wissenschaftler (Scientist) der Skekse fällt eine besondere Rolle zu. Er vermag es den Dunklen Kristall zu nutzen, um anderen Wesen die Lebenskraft zu entziehen. Einmal ihrer Lebenskraft beraubt, sind diese stummen Kreaturen nur noch willenlose Sklaven in den Händen ihrer Unterdrücker.

Mit diesen Elementen erzeugt Jim Henson eine mitreißende Geschichte, die er so geschickt erzählt, dass diese Tragödien auch jüngere Zuseher verstehen, zwar mit Nervenkitzel aber nie soweit hinaus, dass die Seele Schaden nimmt. Zudem vergisst Henson nicht, auch heitere Elemente einzubauen, wie z.B. die quirligen Podlinge, bei denen Kira aufgewachsen ist, oder Fizzgig ein cholerischer, hundeähnlicher Pelzball, der Kira treu begleitet.
Hensons erzählerischer Stil greift auf die Urform der Märchen zu, – nicht auf den bunten, blumigen Teil, der die Dunkelheit in den Geschichten entschärft. Hier kann etwas gewagt werden. Hier können spannende und gefährliche Reisen erzählt werden, ohne Seelen verängstigt zurück zu lassen.
Diese Erzählform ist in neueren Filmen der Phantastik leider so gut wie gar nichtmehr anzutreffen. Aktuelle Phantastik-Produktionen haben zwar an Tiefe gewonnen, aber sie haben oft das Wunderbare verloren.

Aughra

Die Ära des Widerstands
Ich möchte kurz auf die Ableger-Serie Der Dunkle Kristall: Ära des Widerstands eingehen, die 2019 von Netflix produziert wurde und leider auch nur dort zu sehen ist. In 10 Episoden erzählt die Serie die Vorgeschichte zu Der Dunkle Kristall.
Gelflinge sind hier noch am Leben. Wir erfahren mehr über die Clans der Gelflinge, und steigen tiefer in die Hintergrundgeschichte der Welt Thra ein.
Wir werden von den drei jungen Gelflingen Rian, Deet und Brea durch die Handlung geführt, die im Wesentlichen davon berichtet, wie sich die Gelflinge von Anbetern der Skekse zu deren Widersachern emanzipiert haben.

Zudem wird die fast schon heilige Verbindung zwischen der lebendigen Welt und den darauf lebenden Bewohnern näher beleuchtet als man es in einem 90-minütigen Film vermag. Die Gelflinge repräsentieren dieses Alles-Ist-Verbunden Prinzip sehr anschaulich, da sie ihre Erinnerungen und Gefühle durch mentale Bilderströme untereinander austauschen können.

Ich finde diese Serie überaus gelungen. Sie fängt die Aura des auf ihr basierenden Filmes sehr gut ein, was vielleicht auch daran liegt, dass man sich trotz modernerer Technik und CGI dazu entschieden hat, wieder voll auf Puppen zu setzen.
Leider war das auch mit ein Todesstoß für die Serie. In einer Zeit in der alles Schnell-Schnell gehen muss, wollte es Netflix sich nicht leisten eine weitere Staffel aufwendiges Puppentheater zu produzieren, obwohl die Serie weltweit Millionen Fans vereint, und auch Auszeichnungen gewonnen hat, bei der Primetime-Emmy-Verleihung 2020 (Kategorie Outstanding Children’s Program) und bei Visual Effects Society Awards 2020.
Wenn man bedenkt, welche Serien man sonst so mit mehreren Staffeln ehrt, finde ich die Einstellung von Die Ära des Widerstands wahnsinnig schade.

Fazit
Urlaub vom Menschsein. Das erleben wir normaler Weise meist nur durch (animierte) Tierfilme. Der Dunkle Kristall kommt nicht nur komplett ohne Menschen aus, er kommt aufgrund der einzigartigen Fauna und Flora von Thra auch ohne Wesen aus, die wir von der Erde oder aus anderen Geschichten kennen.
Das Universum des Dunklen Kristalls ist ein fantasievolles Biotop für sich. Und weiß sich allein schon dadurch von anderen Produktionen abzuheben.
Erleben wir hier trotzdem eine typische Gut-Böse Geschichte? Wer weiß? Gerade das Ende des Films deutet auf eine tiefere Botschaft hin.
Diese Geschichte kann ich allen empfehlen, die gerne ungewöhnliche Welten mit urtypischen Märchen verbinden.

Uru

Bildquelle: © Sony Pictures Entertainment GmbH

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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