Michael Sagenhorn/ August 8, 2024/ Kino und Film/ 0Kommentare

2006 / FSK 16 / 119 Minuten

Der großartige Autor und Filmproduzent Guillermo del Toro entwarf das Drehbuch und führte Regie bei einem 2006 produzierten Fantasyfilm, der mir wie kaum ein anderer unter die Haut gegangen ist.
Diese Co-Produktion zwischen Spanien, Mexiko und den USA erhielt 6 Oscarnominierungen und räumte drei Oscars davon ab: Beste Kamera, Beste Ausstattung, Beste Maske. Mit Recht, wie ich meine. Del Toro bedient sich nicht nur düsterer Fantasy-Elemente, sondern holt auch die dunkelsten Seiten von Märchen zu Tage.

Dass Märchen nicht immer für unsere jüngsten Kinder geeignet sind, haben schon Filme wie Das Märchen der Märchen oder Zeit der Wölfe gezeigt.
Filme wie diese haben eines gemeinsam. Sie mischen Märchen- und Fantasymotive mit übernatürlichem Schrecken. Oft können wir aber für die reale Welt eine Lehre daraus ziehen, wenn wir die Symbole des Übernatürlichen zu deuten verstehen.

Del Toro geht noch einen Schritt weiter wie die Gebrüder Grimm, als sie für kurze Zeit Wie Kinder Schlachtens miteinander gespielt haben in ihre Geschichtensammlung aufgenommen haben. Dieses Märchen ist kurz aber sehr verstörend, und es beinhaltet kein einziges phantastisches Element. Auch Del Toro zeigt, neben mystischen Analogien, realen Grauen in Gestalt von Krieg, Folter, Sadismus und Mord, vereint vor allem in einer Person: Hauptmann Vidal. Doch worum geht es überhaupt?

Achtung! Hier wird es zu Spoilern kommen!

Handlung

Im unterirdischen Reich lebte einst eine Prinzessin, die von dem Reich der Menschen träumte. Sie floh und das Licht der Sonne löschte ihre Erinnerungen aus. Nach Jahren des Leids starb die Prinzessin. Doch der König wusste, dass sie eines Tages zurückkehren würde, in einem anderen Körper, einem anderen Land, zu einer anderen Zeit.

Mit dieser Erzählung beginnt die Geschichte. Wir wechseln ins Jahr 1944. Der spanische Bürgerkrieg der von 1936 bis 1939 gewütet hat, wurde vom Zweiten Weltkrieg abgelöst. Trotzdem wird in Spanien immer noch gekämpft. Die siegreichen Faschisten unter Franco bekämpfen nach wie vor Partisanen, die sich in die Berge zurückgezogen haben und dort unermüdlich Widerstand leisten.
In einer alten Mühle hat der grausame Hauptmann Vidal sein Quartier bezogen. Unbarmherzig und brutal geht er gegen all jene vor, die auch nur den Verdacht erregen mit den Partisanen im Bunde zu sein.

In diese unmenschliche Welt zieht die elfjährige Ofelia. Dessen hochschwangere Mutter Carmen hat den Hauptmann aus einer Not heraus geheiratet. Doch er selbst betrachtet Carmen lediglich als Gebärmaschine für seinen Sohn, den er sich so innig wünscht. (Dass es ein Sohn wird, weiß der Hauptmann natürlich, weil er ein ganz Schlauer ist).
Bereits kurz nach der Ankunft findet Ofelia seitlich der Mühle einen Eingang zu einem geheimnisvollen, uralten Labyrinth, in dessen Zentrum sie später ein ebenso altes Wesen entdeckt: Einen leibhaftigen Pan.

Pans Labyrinth – Ofelia

Der Pan erklärt ihr, dass sie die wiedergeborene Prinzessin Moana sei, jene Prinzessin auf die sich die anfängliche Erzählung in der Geschichte bezieht. Der Pan will sie zurückbegleiten in das unterirdische Reich. Doch vorher muss sie bis zum nächsten Vollmond drei Prüfungen bestehen, damit man erkennt, dass ihre Seele rein geblieben ist. Der Pan gibt ihr das Buch der Scheidewege, in dem die Prüfungen beschrieben stehen.
Nun muss sich Ofelia beweisen. Wird sie die Prüfungen meistern? Oder muss sie für immer im Reich der Menschen bleiben…

Die Prüfungen des Pan

Die Prüfungen verbinden die realen und die phantastischen Elemente der Geschichte miteinander und verknüpfen so die Handlung recht geschickt. Die Geschichte schwenkt immer wieder zwischen realem Schauer und übernatürlichem Schauer.
Manche Szenen sind sehr schwer verdaulich, z. B. wenn der Hauptmann das Gesicht eines jungen Mannes zu blutigem Brei schlägt bevor er ihn und dessen Vater erschießt, nur um gleich darauf festzustellen, dass die beiden keine Partisanen waren, sondern nur einen Hasen für ihre kranken Töchter/Schwestern gejagt haben.
Dem gegenüber stehen die phantastischen Orte und Wesen des unterirdischen Reiches, die wirklich stimmungsvoll umgesetzt wurden, aber eine unbehagliche Aura ausstrahlen, genau wie der Pan selbst.

Erste Prüfung – Die garstige Kröte
Ein uralter Baum stirbt, weil sich eine Kröte in seinen Wurzeln eingenistet hat. Moana muss dieser Kröte drei Zauberbeerensteine ins Maul schieben und ihr so einen goldenen Schlüssel entreißen, damit der Baum überlebt.

Die erste Prüfung ist noch die einfachste. Moana dringt zu den Wurzeln des Baumes vor und überlistet die Kröte. Die gibt daraufhin den goldenen Schlüssel heraus.
Hier geht es aber nicht nur um die wortwörtliche ‚Hebung des Schatzes‘, sondern vor allem um die Sinnbildliche. Das bedeutet das Erlangen von neuen Erkenntnissen und Einsichten. In diesem Fall, dass auch im Inneren eines hässlichen Wesens etwas Wertvolles verborgen sein kann.
Doch keine Erkenntnis ohne Opfer. In dieser Prüfung opfert Moana das Vertrauen, das ihre Mutter in sie gesetzt hat, da beim Besuch im matschigen Reich der Kröte ihr Kleid, ein kostbares Geschenk ihrer Mutter, vollkommen verdreckt.

Zweite Prüfung – Der fahle Mann
Diese Prüfung ist für mich das unheimliche Highlight des Filmes. Mit Kreide malt Moana eine Tür an die Wand, um in ein geheimes Gewölbe zu gelangen. Dort wird sie eine reichgedeckte Festtafel vorfinden, sagt der Pan und gibt ihr drei Feen zur Begleitung mit. Der Pan mahnt sie jedoch, nichts davon zu essen oder zu trinken.
Als Moana die Festtafel erreicht, verharrt an deren Kopfende ein bleiches, augenloses Wesen. Anhand der Fresken in dem Gewölbe erkennt die Prinzessin, dass dieses Wesen Kinder bei lebendigem Leib frisst. Doch derzeit nimmt es keine Notiz von ihr.
Bis der Sand komplett durch eine Sanduhr gerieselt ist, hat sie Zeit ihre Aufgabe zu erfüllen. Moana öffnet mit dem goldenen Schlüssel aus der ersten Prüfung eine von drei kleinen Türen an der Wand. Dahinter entdeckt sie einen Dolch den sie an sich nimmt.
Sie könnte nun einfach zum Ausgang gehen, doch das Festmahl ist zu verlockend. Die Feen warnen sie eindringlich, doch Moana steckt sich eine Weintraube in den Mund.
Darauf erwacht der Kinderfresser. Zwei der drei kleinen Feen werden gefressen. Doch durch dieses Opfer gelingt Moana im letzten Moment die Flucht.
Aber auch sie muss ein weiteres Opfer erbringen. Als der Pan von ihrem Versagen erfährt verliert er das Vertrauen, das er in die Prinzessin gesetzt hat.

Pans Labyrinth – Pale Man


In Pans Labyrinth tauchen zwei Monster auf. Einmal der Hauptmann, der mordet und foltert und sich dabei vollkommen im Recht sieht, und zum anderen der unheimliche fahle Mann, ein feiges Wesen, das sich ausschließlich an Kindern, also an Schwächeren vergreift.
Die Prüfung des fahlen Mannes zeigt: Wer seine Gier nicht bremsen kann, kommt um durch die Gier. Der fahle Mann ist eine jener Kinderschreckgestalten, die die Eltern in früheren Zeiten beschworen haben, wenn die Kinder einmal nicht artig waren: „Wenn du ungezogen bist, holt dich das Monster!“
Die Realität kann jedoch viel grausamer sein, denn der Hauptmann stellt sogar die Kinderfresser aus unheimlichen Geschichten in den Schatten, und der Krieg selbst ist ein hungriger Abgrund, der nicht nur die Leben von Kindern verschlingt.

Dritte Prüfung – Der kleine Bruder
Im Laufe der Geschichte wird der kleine Bruder geboren. Als letzte Prüfung verlangt der Pan, dass Moana ihren Bruder ins Labyrinth bringt. Moana gehorcht und stiehlt das Baby, das unter der ständigen Obhut des Hauptmanns steht, aus dem Bettchen. Doch der Hauptmann ertappt sie dabei und verfolgt sie im Filmfinale in das Labyrinth, dessen geheime Mächte die Kinder für eine Weile verborgen halten. Lange genug um zum Pan zu gelangen.
Der fordert nun, dass Moana ihren Bruder mit jenem Messer verletzt, das sie aus der zweiten Prüfung mitgebracht hat. Nur ein paar Tropfen Blut eines Unschuldigen würden ausreichten, um das Tor zum unterirdischen Reich zu öffnen. Doch Moana zögert sehr zum Ärger des Pans, denn die Zeit wird knapp. Der Hauptmann ist ihr nach wie vor auf den Fersen.
Was muss die Prinzessin wohl diesmal opfern, um nach Hause zu kommen? Welche Entscheidung wird sie treffen?

Ein wahres Märchen oder eine zerbrochene Kinderseele

Der Film hat eine dem Szenario angemessene sehr traurige Grundstimmung. Akustisch vermittelt wird diese Stimmung vor allem durch das Schlaflied das die Haushälterin Mercedes für Ofelia summt. Dieses Lied begleitet uns den ganzen Film über.
Natürlich spricht vieles dafür, dass sich Ofelia das Märchen von Prinzessin Moana nur ausdenkt, um der grausamen Wirklichkeit zu entfliehen. Sie erzählt ja bereits ihrem ungeborenen Bruder ein Märchen und ist zudem stets mit Märchenbüchern ausgestattet.
Auch die drei Prüfungen passen sehr gut zu einer ausgedachten Geschichte, da angst- und ekelauslösendes Getier, Kinderschreckfiguren und Bruder/Schwester-Beziehungen sehr beliebte Märchenmotive sind.

Daher deutet vieles darauf hin, dass wir Ofelia lediglich durch ihre Fantasie begleiten, zudem hat Moanas Mutter, die Königin des unterirdischen Reiches, das gleiche Aussehen wie Ofelias Mutter Carmen.
Eine Alraune, die der Pan dem Mädchen gibt, um ihre kranke Mutter zu heilen, wäre zwar ein Beleg dafür, dass das Feenreich doch existiert, jedoch bietet die kluge Handlung auch rationale Erklärungen dafür, dass es Carmen besser geht sobald die Alraune zum Einsatz kommt, bzw. sie wieder gesundheitlich abbaut, sobald die Alraune wieder verschwindet.

Trotzdem ist es meine ganz persönliche Ansicht, dass das Feenreich tatsächlich existiert, und das mache ich allein am Pan fest.

Pans Labyrinth – Pan


Diese Figur ist ein undurchsichtiges, völlig fremdartiges Wesen. Tatsächlich hat Guillermo del Toro den fremden Charakter des Pans sehr gut eingefangen.

Der Pan hat etwas Rätselhaftes und auch etwas Düsteres, so als bewahre er nicht nur gute Geheimnisse. Für die Menschenwelt interessiert sich der Pan kein bisschen. Auch Ofelias menschliche Leiden kümmern ihm lediglich nur, wenn es darum geht, dass diese Leiden Prinzessin Moana daran hindern, mit den Prüfungen fortzufahren.
Für uns Zuschauer ist es nicht einfach hinter seine Maske zu blicken, auch wenn er vordergründig alles tut um dem Mädchen bei ihren Prüfungen zu helfen.

Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass ein elfjähriges Mädchen sich eine solche Figur ausdenken würde, selbst zu Kriegszeiten. Gerade da würde ein Kind sich doch eher einen herzlichen, warmen Freund herbeifantasieren? Davon ist aber beim Pan nichts zu spüren.
Ich selbst finde diesen Charakter fantastisch, weil er nicht nach einer billigen Schablone erschaffen wurde, sondern etwas ganz Eigenes hat.

Fazit

Das Ende ist doppeldeutig und spiegelt je nachdem was man nun glauben will, einen zufriedenstellenden Abschluss oder einen unglücklichen Abschluss wider.
Pans Labyrinth richtet sich an Menschen, die dunkle, ungewöhnliche Geschichten lieben. Für manche Szenen sollte man aber nicht zu zart besaitet sein.
Für mich gehört dieser wunderbare Film zu jenen Fantasy-Geschichten, die starke Emotionen auslösen können. Stimmungsvolle Bilder, eine packende Handlung und sehr gutes Schauspiel haben es geschafft, mich für knapp zwei Stunden in Bann zu ziehen.

Pans Labyrinth ist auf Blu-Ray und DVD erhältlich.

Weiterführende Links:

Grimm Geschichte – Wie Kinder Schlachtens miteinander gespielt haben

Bildquelle: © Wild Bunch Distribution

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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