2015 schrieb ich noch guter Hoffnung eine positive Bewertung zum ersten Teil der Star Wars Sequel Trilogie ‘Das Erwachen der Macht‘. Zufrieden freute ich mich auf die Fortsetzungen.
Nachdem ich Star Wars 8 und Star Wars 9 gesehen hatte, stellte ich ernüchtert fest, dass ich unter ‘Star Wars‘ etwas völlig anderes verstand, als unsere Regisseure J. J. Abrams und Rian Johnson.
Beide Profis im Filmgeschäft behaupten von sich Star Wars Fans zu sein, und ich armer Laie frage mich, ob es eine geheime Ursprungs-Trilogie gibt, die ich nicht kenne. Abrams, Johnson und ich, wir können unmöglich Fans der gleichen Trilogie sein; jener Trilogie, die zu einer filmischen Legende geworden ist. Ein würdiger Nachfolger ist die Sequel-Trilogie meiner Ansicht nach nicht.
Ja! Auch ich gehöre zu jenen Star Wars Fans die die Sequels eher als ein wenig ungelenk betrachten:
Teil 8 war für mich eine Katastrophe, Teil 9 war eine völlige Katastrophe. Wohlwollend ausgedrückt. Teil 9 – Der Aufstieg Skywalkers (ja, wohin steigen sie denn?) war sogar der erste Star Wars Film, den ich beim zweiten Mal ansehen noch weniger abgewinnen konnte, als beim ersten Mal. Unweigerlich stellte ich mir die Frage, wie das Kunststück gelungen ist, ein Film-Franchise mit so viel Potential derart gegen die Wand zu brettern?
Würde ich alles zusammentragen, was mir an den Sequels nicht gefällt, könnte ich nach dem Schreiben des Artikels gleich in Rente gehen. Daher möchte ich mich auf einen Punkt beschränken:
Den Hauptcharakter.
Jener Charakter also, mit dem wir auf eine phantastische Reise gehen dürfen, – mit dem wir leiden und mit dem wir uns freuen. Eigentlich kann man gerade bei Star Wars, wo keine großartige Charaktertiefe mit bedeutungsschwangerer Hintergrundgeschichte gefordert wird, nicht viel falsch machen, schon gar nicht, wenn professionelle Fans (!!!) die Kreativarbeit übernehmen.
Ich meine, die Helden der anderen Trilogien Luke und Anakin Skywalker sind archetypische Vertreter der Heldenreise: Sie verlassen ihre Heimat, erleben Abenteuer, an denen sie wachsen, bestehen Prüfungen, oder scheitern daran, bis sie trotz aller Widrigkeiten am Ende den so genannten ‘Schatz’ heben, was nichts anderes bedeutet, als die Reise würdig abzuschließen.
Meist erfolgt der Abschluss im positiven Sinne, wie bei Luke, der nach seiner Feuertaufe im Thronsaal des Imperators (mit Vaders Hilfe) Palpatine widersteht und ein echter Jedi wird.
Aber er kann auch im negativen Sinne erfolgen, wie bei Anakin, der trotz seines vermeintlichen Falls, (Hinwendung zur Dunklen Seite, Scheitern im Kampf gegen Kenobi, Verlust seiner großen Liebe Padmé) sich erhebt, zu einem mächtigen Sith-Lord, und die Galaxis in Schrecken versetzt. Beide Skywalkers sind im Rahmen ihrer Geschichte aufgestiegen, ohne ‘Der Aufstieg Skywalkers’ im Titel zu haben. Wir benötigten diese Information nicht. Wir wußten es.
Auch in anderen Geschichten finden wir dieses Muster der Heldenreise immer wieder – durch alle Epochen unserer Geschichte von Harry Potter, Herr der Ringe, bis hin zum älteste Epos der Menschheit; Das fast 5000 Jahre alte Gilgamesch-Epos. Warum erzählen wir schon so lange die gleiche Geschichte? Weil sie gut funktioniert und -spannend vorgetragen- nie langweilig wird.
Eigentlich kann man sowas nicht in den Sand setzen. Es sei denn, man erschafft eine sog. Mary Sue .
Für all jene, die mit dem Begriff nichts anfangen können: Kurz gesagt, ist eine Mary Sue eine erdachte Figur, die auf Anhieb alles kann und alles weiß und auch sonst nur Superlative aufweist.
Rey ist eine Mary Sue.
Selbst Rey-Sympathisanten, die anderer Meinung sind, müssen doch zugeben, dass Rey:
- bereits von Anfang an alles kann, bzw. alles besser kann, als die anderen Charaktere. (Besser fliegen als Han, besser kämpfen als Finn, besserer Umgang mit der Macht als Kylo Ren).
- nicht Teil der Geschichte ist, sondern die Geschichte um sie herum gebaut wurde, während alle anderen Charaktere von Teil zu Teil immer mehr verblassen und unbedeutender werden.
- von allen geliebt wird (es sei denn man heißt Snoke oder Palpatine). Finn und Ben Solo liegen ihr sowieso zu Füßen, aber auch Han, Lea, Chewie, usw. erliegen ihrem Charme.
Genau das sind wichtige Merkmale einer Mary Sue. Noch in Teil 7 war Finn eigentlich mein Lieblingscharakter. Er war witzig, teilweise unbeholfen, und ein wenig naiv, weil er, der desertierte Stormtrooper, nicht viel von der Welt wußte.
Finn aber auch Poe hatten zu Beginn wirklich Charakter und eine gewisse Tiefe. Aber sie verkümmerten zu kleinen Kerzenlichtern vor einem immer heller strahlenden Stern Rey. Am Ende ging nichts mehr ohne Rey.
Leider kann Rey aufgrund ihrer (Übermacht)Macht, nicht weiter wachsen oder sich entwickeln. Da sie bereits mit allen Wassern gewaschen ist, sehen wir eine Figur, die zwar die Handlung komplett beherrscht, aber trotzdem keinerlei Tiefe besitzt. Zu ihr, die am Ende ALLE Jedi repräsentiert, fand ich nie einen richtigen Zugang, weil dieses blaße Wüstenblümchen an Langeweile nicht zu toppen ist. Ihr Charakter ist so flach wie eine Pfütze, die in eben jener Wüste verdunstet.
Muss man sich da wundern, dass Rey nicht nur von mir, sondern auch von vielen anderen Fans abgelehnt wird? Sah die Star Wars Produzentin Kathleen Kennedy, eine hartgesottene Feministin, wirklich diese Figur vor ihrem geistigen Auge, als sie T-Shirts mit der Aufschrift ‘The Force is female‘ (Die Macht ist weiblich) drucken ließ?
Arme Rey!
Ist sie einer politischen Agenda zum Opfer gefallen? Rey hätte es verdient gehabt, wie Ihre männlichen Macht-Kollegen Luke und Anakin behandelt zu werden. Wie kann es sein, dass jene Figur, der sich die eine ganze Trilogie beugen muss, viel weniger Substanz hat, als die Jedi Ashoka Tano oder Freiheitskämpferin Jyn Erso aus Rogue One – A Star Wars Story. Als Ashoka vom Jedi-Orden ausgestoßen wurde oder Jyn versucht hat, die Pläne für den Todesstern zu stehlen, DA habe ich mitgefiebert!
Rey hingegen verkommt zu einer Karikatur einer starken Frau.
Ihre Abenteuer entlockten mir ein desinteressiertes Gähnen. Sehr schade! Denn wenn ich meine erste Abneigung überwinde und Rey ohne ihre Mary-Sue-Superfähigkeiten betrachte, entsteht das Bild einer taffen, mutigen Frau. Vielleicht ein bißchen einsam, weil sie alleine aufwachen musste, und ihr im ersten Moment das Vertrauen fehlt, eine engere Beziehung zu anderen Wesen aufzubauen. Trotzdem ist sie schwer in Ordnung, und wenn sie einmal beschlossen hat Vertrauen zu fassen, steht sie auch voll und ganz hinter ihren Kameraden.
Für mich hat Rey demnach trotz allem mehr Substanz als jene Mary Sues, die meine Unsympathisch-Rangliste anführen: Nach Michael Burnham aus Star Trek Discover und Bella Swan aus der Twilight-Saga kommt mal lange nichts, weil sie auch ohne ihre Mary-Sue-Superkräfte vollkommen unerträglich sind. Rey hingegen kann ich eigentlich gut leiden. Im ersten Teil der Trilogie war ich neugierig auf sie, und wollte mehr über diese einsame Schrottsammlerin wissen, die von ihren Eltern zurückgelassen wurde und eine geheimnisvolle Verbindung zur Macht zu haben schien. Vor allem mit Finn spannte Rey den Bogen zwischen ihnen, den neuen Helden und den alten Recken des Star Wars Kosmos. Daisy Ridley und John Boyega hätten den Stab von Mark Hamill, Carry Fisher und Harrison Ford übernehmen- und eine neue Generation von Protagonisten anführen können. An der schauspielerischen Leistung der beiden lag es nicht.
Bei den Star Wars Sequels hätten wir ein Konzept für eine gute Geschichte gebraucht – oder zumindest für irgendeine Geschichte. Stattdessen bekamen wir politische Statements unserer Zeit, gepaart mit übertriebenem Fanservice. Gute Charakterentwicklung ist nur eins von vielen, das dabei auf der Strecke geblieben ist.