Michael Sagenhorn/ Mai 23, 2022/ Kino und Film, Science-Fiction/ 0Kommentare

2017 / FSK 16 / 1h 44 min

Sprechen wir über Außerirdische. In Filmen gibt es zwei Archetypen davon: Die Guten – „Ach sind die entzückend…“, und die Bösen – „Wir werden alle sterben …“

Nur selten wagen sich Filmemacher aus dieser Schablone heraus. Final Fantasy – Die Mächte In Dir, gehörte dazu, und floppte grandios an den Kinokassen.
Auch der Film Life erregte kein besonders großes Aufsehen, als er in die Kinos kam. Zu Unrecht, wie ich meine. Jedoch haben es der Regisseur Daniél Espinosa und die Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick leider versäumt, uns tiefere Einblicke in die Psychologie dieses Dramas zu gewähren.

Schauplatz ist die ISS Raumstation. Sechs Astronauten verrichten in der Schwerelosigkeit ihren Dienst, was uns immer wieder interessante Kamerafahrten beschert, und selbst einigen brutaleren Szenen des Films eine gewisse Ästhetik verleiht.

Handlung:

Das Drama beginnt mit der Bergung einer Raumkapsel, die Bodenproben vom Mars transportiert. In diesen Bodenproben befindet sich ein Einzeller, der vom Mikrobiologen des Teams reanimiert werden kann. Liebevoll päppelt Dr. Derry, der Mikrobiologe den Kleinen in einem hermetisch abgeschlossenen ‚Brutkasten‘ auf.
Die Welt ist außer sich vor Freude. Es wurde Leben außerhalb der Erde entdeckt. Medienwirksam dürfen die Gewinner eines Grundschulwettbewerbs dem Außerirdischen einen Namen geben: Calvin.

Dr. Derry erkennt bei seinen Untersuchungen, dass Calvin aus multifunktionalen Zellen besteht. Die Zellen dieses Organismus dienen als Muskel- und Nervenzellen und Organe, was das Wesen, äußerst stark und widerstandsfähig macht.
Aufgrund eines Störfalls fällt das Wesen jedoch in Schockstarre. Die Astronauten können Calvin zwar wiederbeleben, der reagiert aber ab diesem Zeitpunkt extrem feindselig. Schon bald müssen die Wissenschaftler feststellen, dass nicht nur Calvins Körper wächst, sondern auch seine Intelligenz mit jeder neuen Zelle zunimmt. Ein Kampf auf Leben und Tod in einer klaustrophobischen Umgebung beginnt…

Trotz der soliden schauspielerischen Leistung von u.a. Ryan Reynolds (Free Guy), Rebecca Ferguson (Dune) und Jake Gyllenhaal (Spider-Man: Far From Home), ist für mich …

Der eigentliche Star das ‚Monster‘ Calvin.

Calvin wirft bei mir viele Fragen auf, und das ist der Grund, warum mir der Film länger als für dieses Genre üblich im Gedächtnis geblieben ist.


Der Film zeigt auf, wie fatal es sein kann, fremde Wesen mit menschlichen Maßstäben zu bewerten. Das gilt schon für Tiere, das gilt besonders bei Wesen von anderen Welten. Dr Derry hat das Wesen mit viel Liebe aufgezogen und war von jeder neuen Entwicklung begeistert. Er war Calvins Freund. Leider war Calvin auf der anderen Seite nicht sein Freund.


Wie man Freundschaft vollkommen missverstehen kann, wenn unterschiedliche Wesen aufeinandertreffen, zeigt der Film Life of Pi sehr gut. Am Ende des Films erzählte Pi Patel traurig, dass der Tiger, mit dem er so lange über das Meer geirrt war, einfach davon getrottet ist, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, nachdem die beiden Land erreicht hatten. Pi seufzte: „Ich dachte, er wäre mein Freund“. Und ICH seufzte: „Junge! Er WAR dein Freund! Er ist davon getrottet, ohne dich zu fressen.“ Hunger hatte das Tier nach der Floßfahrt bestimmt. In gewisser Weise, war der Tiger tatsächlich Pis Freund. Aber Pi hat das nicht erkannt, weil er menschliche Maßstäbe bei einem Tiger ansetzte.


Calvin war nie Dr. Derrys Freund. Diese Kreatur ist so fremdartig, dass man sie mit nichts, was der Mensch kennt vergleichen kann. Viele Wissenschaftler vermuten ja, die Begegnung mit Außerirdischen wird wohl anders verlaufen, als wir es uns ausdenken können. Auch andere Filme, wie z.B. Arrival beschäftigen sich damit, wie Verständnisbarrieren zwischen Außerirdischen und Menschen abgebaut werden können.
Leider ist keiner der Astronauten auf diesem Gebiet kompetent. Der tödliche Konflikt zwischen den Astronauten und Calvin entbrennt erst aufgrund dieser Verständnisbarrieren. Calvin ist nicht das namenlose, von Natur aus feindliche Konstrukt wie die Xenomorphe der Alien-Filme.

Aber es ist absolut bereit, sich seiner Haut zu erwehren. Dabei wird es nicht von menschlichen Gefühlen beschränkt. Aus der Handlung kann man erahnen, dass das Wesen weder Angst noch Mitgefühl kennt.
Wahrscheinlich ist Calvin ausschließlich auf sich selbst fixiert. Vielleicht bilden die multifunktionalen Zellen ein miteinander kommunizierendes Kollektiv. Dann wäre Calvin so etwas wie eine lebende Bio-Stadt.
Was bei mir die nächste Frage aufwirft: Welche Evolution bringt so ein Wesen hervor? Im Film haben die Astronauten die Theorie, dass diese aggressive Kreatur als dominante Lebensform alles andere Leben auf dem Mars ausgelöscht hat.


Ja, das kann schon sein. Aber ich kann mich für diese Theorie nicht richtig erwärmen. Calvin ist nicht der Blob, eine geistlose Masse, die sich wahllos alles einverleibt und dadurch immer größer wird. Evolutionärer Fortschritt ist u.a. auch ein Wettrüsten zwischen Jägern und Gejagten. Zumindest ist das auf der Erde so. Die Chancen stehen gut, dass es bei unserem Nachbarn Mars ebenfalls so ablaufen würde, oder abgelaufen ist. Wenn ich also annehme, dass ein Organismus wie Calvin durch ein Wettrüsten entstanden ist, könnte man die Sache auch umdrehen: Irgendein Super-Predator, vielleicht Calvin sehr ähnlich, hat alles Leben auf dem Mars vernichtet. Nur Calvin ist übriggeblieben, aufgrund seiner enormen Anpassungsfähigkeit und seiner schnellen Evolution.
Das könnte auch erklären, warum Calvin derart feindselig und kompromisslos anderen Spezies gegenüber eingestellt ist, denn die einzige Art, die in Calvins Zellen genetisch als Erinnerung gespeichert wäre, wäre eine Art, die ihn gnadenlos auslöschen will – so wie jetzt die Menschen.

Sollte je eine Fortsetzung geplant werden (derzeit sieht es nicht so aus) könnte man anhand dieser Theorie eine wirklich originelle Geschichte weiterspinnen, die über eine für das Genre übliche 08/15 Wiederholung hinausgeht.

Kurz gesagt, die Art dieses Wesens wertet den Film für mich unglaublich auf. Auch Äußerlich macht das Wesen etwas her. In der Schwerelosigkeit des Weltraums verwandelt sich Calvin fast schon in ein graziles, anmutiges Elfenwesen.

Erst hat man schon kein Glück, dann kommt noch Pech dazu

Dieser Spruch von Jürgen Wegmann beschreibt sehr gut, was den Film sonst noch kennzeichnet. Nicht nur Calvin setzt den Astronauten zu, sondern auch das Karma – oder wie man das auch nennen mag. Mir fällt im Augenblick kein Film ein, in dem so viel schiefgelaufen ist, wie in Life. Es läuft wirklich nichts rund auf der ISS. Ich saß da, und dachte: “Welcher Mist passiert nun schon wieder?“
Daran ist natürlich das Drehbuch schuld, das leider keine originelleren Lösungen zu bieten hatte, als entweder das Schicksal zu bemühen, – oder die Verkettung unglücklicher Ereignisse. Oje!

Fazit:

Life ist solider, leicht überdurchschnittlicher Science-Fiction Horror, der mit einem schwerelosen Schauplatz und einem interessanten Außerirdischen aufwarten kann. Kenner der Raumstation geben zu bedenken, dass manche Handlungsverläufe Unsinn sind, aufgrund der Beschaffenheit der ISS. Mag sein! Das kann ich nicht beurteilen. Wer keine schwachen Nerven hat, und gefährlichen Aliens etwas abgewinnen kann, ist hier definitiv richtig. Life kann man seit einiger Zeit auch auf Netflix streamen.

Bildquelle: © Sony Pictures Entertainment GmbH

Share this Post

Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

Hinterlasse einen Kommentar