Michael Sagenhorn/ März 3, 2022/ Kino und Film/ 0Kommentare

2021 / FSK 12 / 2h 28 min

Bevor ich mit meiner Kritik zu Spider-Man: No Way Home beginne, möchte ich ein paar Worte zum Multiverse in Superhelden-Stories vorrausschicken. Ich glaube, das ist wichtig, weil die Akzeptanz solcher Geschichten einher geht, mit der Akzeptanz eines Multiverse. Wird man mit einem Multiverse nichts anfangen können, wird es schwerfallen, den aktuellen Spider-Man Film etwas abzugewinnen.

Zudem steht dieser Film nicht für sich alleine. Der große Hauptgegner Thanos ist am Ende der Phase 3 des Marvel Cinematic Universe besiegt worden. Und die Serien haben bereits angekündigt, dass die neue Bedrohung während der Phase 4 dem Multiverse entspringt. Wer oder was genau das ist, wissen wir noch nicht. Aber das Multiverse, also verschiedene Varianten eines uns bekannten Universums, wird eine entscheidende Rolle dabei spielen. Dank Serien wie Loki oder What if…? können wir nun wild spekulieren, wie die Stories im MCU weitergehen.

Natürlich lässt ein einziges Universum den vielen Autoren weniger Spielraum für die eigene Kreativität, oder um etwas Neues auszuprobieren. Man muss immer den Kanon berücksichtigen. Auch DCs Multiverse ist heute zurück. Liebhabern solcher Geschichten möchte ich auf ‚Infinite Crisis‘ verweisen, ein spannender Comic mit Tiefgang, der auf die Geschichte ‚Crisis on Infinite Earths‘ aufbaut. Ein weiterer Tipp für DC Comics ist die Elseworld-Saga ‚Der Nagel‘, eine faszinierende Geschichte, die jede What if…? Folge von Marvel weit hinter sich lässt, indem sie die Frage stellt: „Was wäre, wenn es Superman nie gegeben hätte“.

Aus meinen Zeilen liest man bestimmt heraus:

Ich finde Multiversen und Elseworld Geschichten wahnsinnig interessant, wenn die Autoren damit umgehen können.

Aus dieser Perspektive werde ich Spider-Man: No Way Home auch bewerten. Das war jetzt ein längeres Vorwort, aber ich wollte auf das Mulitverse eingehen, weil kein Film des MCU ganz für sich alleine steht, sondern mit eben den jeweiligen Phasen verknüpft ist. Zukünftige Rezis zu MCU Phase 4, die möglicherweise folgen, werden genau vor dieser Perspektive beleuchtet.

Doch was erwartet uns in Spider-Man: No Way Home? Im Vorgänger Spider-Man: Far From Home hat der Bösewicht Mysterio Spider-Mans geheime Identität der Welt verraten. Ohne seine Geheimidentität ist Peter Parker Medien, Fans und Feinden ausgeliefert. Viele denken, Mysterio wäre ein Held gewesen und Peter habe ihn ermordet. Dementsprechend turbulent wird es überall dort, wo der ‚berühmteste Teenager der Welt‘ auftaucht.
Nicht nur er, sondern auch MJ und Ned leiden darunter, weil kein College Spider-Man und seine engsten Freunde aufnehmen möchte. Daher entschließt sich Peter den Magier Dr. Strange aufzusuchen, und bittet ihn, die Zeit zurückzudrehen, zu einem Punkt, in dem seine Identität noch nicht verraten wurde.
Da Dr. Strange aber den Infinity-Zeitstein nicht mehr besitzt (siehe MCU Phase 3), ersinnt er eine andere Idee, um Peter zu helfen: Ein Zauber soll alle vergessen lassen, dass Peter Parker Spider-Man ist. Peter findet die Idee zuerst großartig, doch während der Zauber gesprochen wird realisiert er, was es bedeutet, wenn alle, also auch seine Tante, MJ und Ned nicht mehr wissen wer Peter ist. Immer wieder unterbricht er Dr. Strange bis es zur Katastrophe kommt, und das komplette Multiversum zu kollabieren droht. Dr. Strange kann das im letzten Augenblick verhindern, aber etwas hat die Realitäten durchbrochen. Wenn es nicht aufgehalten wird, könnte das bekannte Universum kollabieren…

Mittlerweile dürften den meisten interessierten Lesern grundlegende Informationen zum Film bekannt sein. Es wird leichte Spoiler geben. Wer gar nichts über den Film weiß, und sich die Überraschung nicht verderben möchte, sollte jetzt nicht weiterlesen.

Ich beginne mal mit der Stelle des Films, mit der ich überhaupt nicht klargekommen bin, weil ich sie für ausgemachten Blödsinn halte.

Es ist der ganze Weg, der zu diesem verhängnisvollen Zauber führt. OK! Meine Geheimidentität wurde enthüllt, ich stehe für die Welt als Mysterios Mörder da, die Zukunft von mir und meinen Freunden ist in Gefahr.

Wäre es da nicht sinnvoll meinen Ruf wiederherzustellen? Würde ich mich nicht fragen, wer mir dabei helfen könnte? Im Film erkundigt sich Peter zwar kurz nach Nick Fury, der ihn mit Mysterio bekannt gemacht hatte, bzw. ihn regelrecht zu einer Zusammenarbeit mit ihm gedrängt hatte. Aber als Peter erfährt, dass Fury nicht auf dieser Welt weilte, zu genau der Zeit, in dem das Abenteuer mit Mysterio lief, war das Thema für Peter abgehakt.

Also der Typ, der mich schon fast dazu genötigt hat, ein Team mit Mysterio zu bilden, war eigentlich zu dieser Zeit abwesend, und mich interessiert das nicht weiter?? Peter hätte Fury einen Besuch abstatten, und ihn ein paar Fragen stellen sollen: Wo war Nick Fury? Wer war der falsche Nick Fury? Jeder der die Postcredit-Szene von Spider-Man Far From Home gesehen kennt zwar die Antwort, aber so wäre auch Peter in den Genuss dieser Informationen gekommen und hätte zusammen mit Fury z.B. weitere Handlanger von Mysterio finden können, und sie mit freundlichem Nachdruck überzeugen können, der Welt Beweise für Peters Unschuld zu liefern. (Ich bin überzeugt, die gibt es irgendwo, und werden auch in nachfolgenden Filmen irgendwann präsentiert). Peters Geheimidentität wäre dann zwar immer noch bekannt aber sein Ruf wäre wiederhergestellt.
Mit viel guten Willen kann ich sagen, vielleicht liegt es an Peters Unerfahrenheit, dass er nicht darauf gekommen ist Nick zu besuchen, – gepaart mit der Panik aufgrund seiner Demaskierung. Und klar: Hätte Peter den Fall auf diese Weise gelöst, hätten wir keinen Film über das Multiverse bekommen 😉.


Was ich mir aber gar nicht erklären kann ist das Verhalten von Dr. Strange. Dieser gewissenhafte, weise Magier haut ohne groß überredet werden zu müssen, einfach einen brandgefährlichen Zauber raus, um Peter einen Gefallen zu tun? WTF….!?
Als nur die Trailer bekannt waren, hatten viele Fans die Theorie, dass es sich hier nicht um den richtigen Dr. Strange handelt, sondern um sein böses Pendant aus der Serie ‚What if…?‘. Das wäre noch glaubhaft gewesen. Aber so wie es aussieht (genau kann man das ja nie wissen bei MCU) ist das tatsächlich unser Dr. Strange. Hier hätte ich mir wirklich einen durchdachteren, glaubwürdigeren Hergang zum Einsatz des Zaubers gewünscht.

Machen wir nun mit den Stärken des Films weiter.

Nicht nur die fiktiven Universen, sondern auch die Film-Universen von Sony und MCU werden miteinander verflochten, zu einem großartigen Crossover. Wir erleben den Auftritt von Doctor Octopus und dem Grünen Kobold, jenen Gegnern von Sam Raimis Spider-Man. Beide werden wieder von den originalen Darstellern gespielt: Alfred Molina und – unvergleichlich! – Willem Dafoe. Gerade Willem Dafoe verleiht seinem Grünen Kobold eine derart diabolische Aura, dass er für mich bis heute der mit Abstand beste Gegner Spider-Mans auf der Leinwand ist.
Fanservice und Nostalgie scheinen ja die neue Masche Hollywoods zu sein, um Geld in die Taschen zu spülen. Und solange das gut gemacht ist, und ein Film nicht nur aus Fanservice besteht, spricht von meiner Seite überhaupt nichts dagegen.
So ist es nicht verwunderlich, dass neben den beiden oben Genannten auch weitere Gegner auftauchen: Sandman aus Spider-Man 3, und Electro (Jamie Foxx) mit Lizard aus The Amazing Spider-Man.
Tom Holland hat es also hier mit fünf ausgebufften Halunken zu tun, die alle Erfahrung im Kampf gegen Spider-Man haben. Klar, dass er hier Verstärkung braucht. Die kommt auch prompt. Denn wir sehen Andrew Garfield und Tobey Maguire als Spider-Man wieder. Gerade bei Tom Hollands ersten Einsätzen habe ich oft sehsüchtig an Tobey Maguire gedacht. Ich finde Tom Holland als Spider-Man nicht besonders gut, bestenfalls akzeptabel. Besonders Tobey Maguire aber auch Andrew Garfield haben mir in dieser Rolle besser gefallen. Liegt ein bisschen an den Drehbüchern, liegt aber vor allem an der Ausstrahlung und der schauspielerischen Leistung.

Auf jeden Fall ist Sony der Geniestreich gelungen ihre Produktionen Spider-Man und The Amazing Spider-Man sinnvoll zusammenzuführen und alle Kino-Stories von Spider-Man miteinander glaubwürdig zu verbinden. Und…! Vergessen wir den Fanservice nicht. Wir freuen uns, unseren Lieblings-Spider-Man wiederzusehen – egal wer das ist.

Jeder der drei Spider-Men bekommt genug Screentime, ohne den Focus von Tom Holland zu nehmen. Er ist der aktuelle Spider-Man. Es sollte vor allem seine Geschichte sein. Auch das ist gut gelungen.
Trotz der vielen Gegner bekommen wir nicht die klassische Gut-Böse-Geschichte serviert, weil alle Gegner noch mal beleuchtet werden, – und damit auch die dramatischen Schicksale, die sie zu den Monstern gemacht haben, die sie sind.
Hier ist kein großer, alles überschattender Hauptgegner zu erwarten. Nur gebrochene Seelen, deren Schicksal für einen kurzen Moment der Öffnung des Multiverse verbunden ist.

Tom Hollands Spider-Man durchlebt ebenfalls eine Tragödie. Man könnte sagen, endlich wird dieser Spider-Man erwachsen. Er triff Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Besonders bitter ist, dass Peters Tragödie erst so richtig ihren Lauf nimmt, als er eine Entscheidung aus Herzensgüte trifft.

Fazit
Spider-Man entfernt sich von seinem einstigen Mentor Ironman Tony Stark und handelt, selbstständig, auch gegen die Meinung von Dr. Strange.
Ihm die ganze Zeit zur Seite stehen nicht die Avengers, weitere Mentoren, ja nicht einmal die beiden anderen Spider-Men, die erst von ihm lernen müssen ein Team zu bilden, weil sie bisher Einzelkämpfer waren. Hollands Spider-Man stehen zur Seite MJ und Ned. Teenager wie er, jedoch ohne Superkräfte aber voller Vertrauen, und mit ihm verbunden durch das Band der Freundschaft.
Es ist eine Geschichte des Erwachsenwerdens und eine Geschichte des Erwachens. Peter Parker entdeckt, was im Leben wirklich zählt, auch wenn er dafür viel aufgeben muss.
Zum ersten Mal hat er mir richtig gut gefallen, dieser MCU Spider-Man.

Spider-Man: No Way Home erscheint am 12.04.2022 auf Blu-ray und DVD

Bildquelle: © Sony Pictures Entertainment GmbH

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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