Wer glaubt, in deutschsprachigen Gegenden würde man nichts von packenden Geschichten verstehen, wird spätestens dann eines Besseren belehrt, wenn er sich näher mit den Bräuchen und Mythen der Berggebiete beschäftigt. Sagenhafte und zuweilen unheimliche Geschichten treten dann zu Tage, geformt in den hohen Regionen, so hart und rau aber auch so herzlich wie die Menschen, die diese Regionen ihre Heimat nennen.
Einer dieser Bräuche führt uns zu den Perchten. Perchten, unheimliche Gestalten mit teilweise schrecklich aussehenden Masken und groben Gewändern, ziehen tanzend und lärmend durch die Gassen, begleitet von Trommeln, Glocken und Schellen.
Obwohl manche dieser Perchten – die hässlichen Schiechperchten – das Böse repräsentieren, wollen sie gemeinsam mit ihren guten Genossen, den Schönperchten, durch ihren Tanz böse und dunkle Geister vertreiben, die sich besonders in den langen Nächten des Winters bei den Menschen einschleichen, und deren Herzen mit Beklemmung und Angst erfüllen.
Dem wirken die Perchten durch ihrem Lauf entgegen. Sie ehren den Winter und feiern die Wintersonnenwende. Mit ihrem Stampfen wecken die Perchten die Wachstumsgeister der Erde und läuten somit einen neuen Wachstumszyklus ein.
Die Perchten und ihre ‚Mutter‘
Die Bezeichnung „Perchten“ geht auf das Wort „Perath“ zurück, was so viel bedeutet wie ‚leuchtend, prächtig…
Schon in der Zeit um 500 n. Chr. wurden Umzüge mit dämonischen Masken verzeichnet. Die Perchten werden gern mit der Volkssage der ‚Wilden Jagd‘ in Verbindung gebracht, jedoch ist es umstritten, dass sich die Perchten auch wirklich daraus entwickelt haben. Sicher aber ist, dass entsprechende Bräuche schon seit über tausend Jahren existieren.
Die zentrale Sagengestalt, um die auch die Perchten tanzen, ist Frau Percht, auch als Ur-Göttin Perchta bekannt (aus der auch Frau Holle hervorgegangen ist). Frau Percht vertritt ebenfalls zwei gegensätzliche Aspekte: Zum einen die Sonne, die gütige, Leben bringende Frau, zum anderen den Teufel, die düstere Bestraferin. Im schlimmsten Fall schlitzt sie den Bauch ihres Opfers auf, füllt ihn mit Steinen und versenkt es in einem Brunnen. Aus welcher Geschichte kennen wir das? Ja, der böse Wolf wurde auf diese Weise bestraft, in dem Märchen Der Wolf und die sieben Geißlein.
Die Perchten wandeln vor allem in den sagenumwogenen Raunächten umher. Während die Schiechperchten eher in der Nacht auftreten, kann man Schönperchten bereits bei Tageslicht umherziehen sehen. Jedoch ist das von Region zu Region unterschiedlich.
Der Perschtenbund Soj Kirchseeon
Damit die Tradition der Perchten auch weiterhin lebendig bleibt, braucht es Menschen deren Leidenschaft es ist, sie weiterhin zu pflegen.
Unweit von München, im Landkreis Ebersberg, liegt die Gemeinde Kirchseeon. Dort hat sich 1963 der Perschtenbund Soj ins Vereinsregister eintragen lassen. Seitdem, und bereits davor, marschieren sie in den Raunächten durch die Gemeinde, denn die Kirchseeoner Perchten verstehen sich als Raunachtsperchten (es gibt noch Fastnachtsperchten).
2022 wurde der seit 1954 in Kirchseeon bestehende Brauch zum Immateriellen Kulturerbe des Freistaates Bayern ernannt, worauf die Kircheeoner besonders stolz sind.
Am 22.12.2024, also an dem Tag, an dem die Tage wieder länger werden, haben wir, meine Familie und ich, es endlich geschafft, diese Perchten live zu sehen, denn besonders für Kinder ist der Tanz der Perchten ein großes Abenteuer. Zentrale Figur bei dem Lauf ist Frau Percht. Um sie herum tanzen die Schiechperchten, die Klaubauf, die Habergoaßn, die Gfress und andere wunderliche Gestalten der Schiechperchten. Daneben trommeln wild im Takt die Schönperchten. So ziehen sie von Haus zu Haus und erteilen ihren Segen, und vertreiben die bösen Geister des Winters.
Maskeum
Um uns darauf einzustimmen haben wir das Maskeum besucht, ein kleines Museum des Vereins, das einiges zu den Perchten und zu der Entstehungsgeschichte des Kirchseeoner Bundes zu sagen wusste.
Auf ca. 125 m2 können die dort präsentierten Masken und Gewänder besichtigt werden. Vorgeführt werden auch kürzere Filme, die die Kirchseeoner Perchten näher vorstellen und deren Geschichte und Tradition beleuchten. Zudem kann man in einem abgetrennten Bereich einigen Sagen über Perchten lauschen.
Der Eintritt ist kostenlos, jedoch freut sich die Spendenmaske über eine kleine Gabe. Es gibt auch einen kleinen ‚Museumsladen‘, in dem man u. a. handgearbeitete Mini-Masken für 17,- Euro pro Stück erstehen kann, und diese Masken sind wirklich schön gearbeitet. Da habe ich natürlich zugeschlagen und einen Bohrzahn ergattert.
Das Maskeum ist auf jeden Fall einen Besuch wert, jedoch sollten hier die Öffnungszeiten beachtet werden. Von Januar bis März ist jedes Wochenende von 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr geöffnet, im Februar und März nur jedes zweite Wochenende.
Die Kirchseeoner Perchten sind ein Geheimtipp für alle, die Perchten einmal live erleben möchten, aber keine Lust haben beim bekannten Krampuslauf in München, bei dem ca. 300 Krampusse, Perchten und Klause durch die Innenstadt ziehen, sich unter tausende schaulustige Einheimische und Touristen zu quetschen, um zwar viele fremde Köpfe und Mützen zu bestaunen, aber nicht einen einzigen Percht zu Gesicht zu bekommen.
Fotos: Michael Schnitzenbaumer 2024
Quellen: https://www.perchten-kirchseeon.de https://www.maskeum.de https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchseeoner_Perchtenlauf https://de.wikipedia.org/wiki/Percht https://de.wikipedia.org/wiki/Perchta