
„Wie wäre es mit einem Besuch im Planetarium. Werden Sie Zeuge des wunderschönen Glanzes der Ewigkeit, der niemals erlöschen wird. Die Sterne und Planeten erwarten Sie schon voller Vorfreude.“
Yumemi Hoshino
Mit diesen einstimmenden, sanften Worten beginnt der Anime Planetarian: Storyteller of the Stars.
Die Sterne sind für die Menschen seit jeher eine besondere Verschmelzung von Wissenschaft, Mythologie und Religion. Aus den frühen Religionen entwickelten sich Mythologien über das, was die Sterne darstellen und bedeuten könnten. Daraus wiederum bildete sich die Protowissenschaft der Astrologie heraus, die schließlich in die Astronomie mündete, die Wissenschaft der Sternenkunde.
Obwohl wir modernen Menschen schon viel über die Sterne und Planeten gelernt haben, ist der Glaube an die Astrologie nach wie vor lebendig. Genauso faszinieren uns Geschichten über die alten Götter und Helden – vor allem die Griechischen bzw. Römischen oder die der Ägypter, aber auch die weniger bekannten Götter der ältesten Zivilisationen wie die der Sumerer, die unter anderem den Sonnengott Utu und die Fruchtbarkeitsgöttin Inanna verehrten.
Vor über 4000 Jahren, als die Sterne für uns immer mehr an Bedeutung gewannen, entwickelte sich aus den frühen Religionen Mesopotamiens die Sterndeutung. Menschen wurden häufig von kriegerischen Völkern und Naturkatastrophen bedroht. Kein Wunder also, dass sie versuchten, ihre Götter mit Opfergaben und Gebeten zu beeinflussen. Sie begannen ihren Blick vermehrt auf die Sterne zu richten, vielleicht auch deshalb, weil sie Sterne und Planeten Göttern zugeordnet hatten und sie ihren Göttern nahe sein wollten.
Und so beobachteten die Priester aufmerksam jede Erscheinung am Himmel, die sie dann als günstig oder ungünstig für Volk und Herrscher befanden.
Ca. 2000 v. Chr. übernahmen die Babylonier das Land der Sumerer und auch viele ihrer technischen und kulturellen Errungenschaften. Auch bei den Babyloniern gehörten die Götter zum täglichen Leben. Sie feierten erstaunliche Zeremonien in ihren Tempeln, bei denen Priester, Musiker, Traumdeuter und Astrologen mitwirkten. Diese Hochkultur kannte die Sternbilder und erschuf den vollständigen Tierkreis und seine Aufteilung in Zeichen.
Schließlich kamen die Griechen vermehrt in Kontakt mit den Babyloniern zur Zeit Nebukadnezars, vom 8. bis zum 6. Jh. v. Chr. Sie übernahmen die astrologischen Techniken und die damit verbundene religiöse Vorstellung. Es war der griechische Mathematiker, Astronom und Philosoph Claudius Ptolemäus, der die Erde in den Mittelpunkt des Planetensystems setzte. Und somit das heute noch in der Astrologie gültige Zentrum schuf.
Auch andere Hochkulturen versuchten den Sternen ihre Geheimnisse zu entlocken. Doch der moderne Mensch gibt sich nicht mehr mit Göttern und Mythen zufrieden. Astrologie ist schon lange keine Wissenschaft mehr. Heute werden Sterne mit zeitgemäßen wissenschaftlichen Mitteln erkundet. Die Astronomie gliedert sich mehr und mehr in Fachgebiete auf. Zu den wichtigsten zählen die beobachtende Astronomie, Astrophysik oder Himmelsmechanik.
In einem Planetarium können dann die Forschungen durch einen simulierten Sternenhimmel auch Laien, wie zum Beispiel mir gut vermittelt werden.
Warum ich in dieser Rezession so weit aushole? Damit ich näherbringen kann, was wir verlieren würden, würden die Sterne für uns keine Bedeutung mehr haben. Die Sterne waren schon immer ein Zündfunken für fantasiereiche Eingebungen. Über alle Kulturen hinweg können sie unsere einfallsreichsten Gedanken hoch zu neuen Horizonten heben. Die hier vorgestellte Geschichte versucht uns eine Ahnung davon zu geben, was für uns verschwände, würde sich der Zugang zum Himmel schließen.

Handlung
Ein nuklearer Winter hat die Erde in eine neue Eiszeit getaucht. Der Himmel ist durchgehend von Wolken verhangen, die Welt in einen grauen Schleier gebettet. Der vergangene Krieg hat die Zivilisationen der Menschheit vernichtet. Nun gibt es nur noch knapp 100.000 Menschen, doch letztendlich kann die genaue Zahl nicht mehr ermittelt werden, da niemand mehr Statistiken führt.
Ein alter Mann schleppt sich durch den unerbittlichen Schneesturm. Er ist am Ende seiner Kräfte. Das Einzige, was ihn noch weiterziehen lässt: Er muss seinen Auftrag zu Ende führen. Er muss sein Wissen weitergeben, denn er ist ein Mensch der Sterne.
Das war nicht immer so. Vor vielen Jahren, als er noch jung war, war er ein Junker, ein Plünderer, der die Ruinen von Siegelstadt nach verwertbaren Gegenständen durchsuchte. Obwohl der Krieg vergangen ist, kämpft er immer noch. Er kämpft gegen Maschinen, die einst gebaut worden sind, den Menschen zu schützen, doch nun allein und ‚verwildert‘ eigenen Programmen folgen.

Aber nicht alle Maschinen haben sich in tödliche Gegner verwandelt. Im Dachplanetarium eines Einkaufszentrums findet der Plünderer Yumemi Hoshino, einen weiblichen Serviceroboter, der ungeachtet der vergangenen Katastrophe Kunden für das Planetarium zu gewinnen versucht und sich auch nicht durch die Einsamkeit des Einkaufszentrums entmutigen lässt. Yumemi lädt den Plünderer zu einer Vorführung ein, ist aber untröstlich, weil der Projektor defekt ist.
Misstrauisch willigt der in sich gekehrte Plünderer ein, den Projektor zu reparieren, obwohl er mit Robotern nicht viel anfangen kann. Während der Zeit der Reparatur lernt der verschlossene Plünderer Yumemi immer besser kennen. Als der Krieg begann, wurde sie hier alleine zurückgelassen. Nach über 29 Jahren ist der Plünderer der erste Kunde des Planetariums. Doch sie selbst scheint die Katastrophe gar nicht registriert zu haben. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Roboter nur eine Woche im Jahr aktiv ist, weil er seine Ressourcen schonen muss.
Langsam fasst der Plünderer Vertrauen zu Yumemi. Es gelingt ihm, den Projektor wieder in Gang setzen, und als die Lampen das Licht der Sterne auf die riesige Leinwand werfen und er zum ersten Mal die Schönheit des Sternenhimmels sieht, verändert das nicht nur sein Leben für immer …
Manchmal muss man eigene Wege gehen
Die Geschichte ist in zwei Zeitebenen aufgeteilt. Zuerst lernen wir den in die Jahre gekommenen Plünderer kennen, der schon lange kein Plünderer mehr ist, sondern ein Mensch der Sterne.
Mit seinem kleinen Planetarium reist er durch ein vom Krieg verwahrlostes Land, um den Menschen die Sterne näherzubringen.
Die zweite Zeitebene, die Vergangenheit, zeigt wie der Mensch der Sterne durch die Begegnung mit dem Serviceroboter zu eben jenen Menschen geworden ist, den wir zu Beginn des Films kennenlernen.

Nach dem Krieg leben die Menschen in kleinen Gemeinschaften zusammen. Der alte Mann trifft hier auf eine Gruppe, die es sich in einem Schutzraum unter einer Kirche eingerichtet hat. Die Gruppe besteht vor allem aus Frauen. Alle zeugungsfähigen Männer sind gestorben. Daher sind die drei Kinder der Gemeinschaft auch deren größter Schatz. Diese Kinder haben den entkräfteten Alten sterbend unter der Schneedecke gefunden und ihm somit das Leben gerettet.
Während die Erwachsenen versuchen, das Überleben zu organisieren, sind die Kinder fasziniert von dem kleinen Planetarium und den Geheimnissen, die es zu enthüllen vermag. Ähnlich wie der alte Mann damals haben sie noch nie den Himmel gesehen, die Sonne oder den Mond. Bald beginnt der Mensch der Sterne sein Wissen den Kindern zu vermitteln.
Doch das gestaltet sich als schwierig, da die Erwachsenen der Siedlung den Entschluss fassen, dass das Wissen des alten Mannes keinen Wert mehr für die Menschen hat. Am Ende sind es die Kinder als Symbol für die Zukunft, die selbst entscheiden werden, ob sie das vermeintlich wertlose Wissen als Geschenk annehmen und in die Fußstapfen des Alten treten, oder ob sie folgsam den Erwachsenen gehorchen.
Eine Maschine, die an die Menschen glaubt
Es ist schon fast traurig mit anzusehen, wie Yumemi so munter und unverdrossen im vereinsamten Kaufhaus mit ihrem Satz für einen Besuch im Planetarium wirbt. Es scheint ihr gar nicht aufzufallen, dass sich die Welt geändert hat. Ihre gewinnenden Worte verhallen, ohne Gehör zu finden, bis der Plünderer sie zufällig entdeckt.
Unweigerlich werden wir hier auch mit kleinen philosophischen Betrachtungen beschäftigt. Yumemi fragt sich, ob es für Roboter ein eigenes Himmelreich gibt und wie dieses Himmelreich aussehen mag. Sie würde auch gerne weinen können, doch sie ist ein älteres Modell, dem diese Fähigkeit fehlt, ganz im Gegensatz zu späteren Modellen.
Was Yumemi vor allem auszeichnet, ist ihr ungetrübter Optimismus bezüglich der Menschen. Später stellen wir fest, dass der Serviceroboter durchaus registriert hat, dass etwas Schlimmes mit den Menschen geschehen sein muss, und dass sie alle verschwunden sind, ohne je zurückzukommen. Trotzdem glaubt sie ungebrochen daran, dass die Menschen Lösungen für ihre Probleme finden werden.

Nicht nur die Sterne verändern daher den Plünderer, sondern auch diese im Glauben unerschütterliche Maschine.
Fazit
In einer kalten Zukunft, in der nur der nackte Überlebenskampf zählt, werden Menschen der Sterne und deren Geschichten, die auch alte Geschichten der Menschheit sind, nicht mehr benötigt.
Jedoch sind es gerade diese Geschichten, die uns zu unseren Wurzeln führen, die unsere Identität mitbestimmen. Planetarian: Storyteller of the Stars möchte uns mitteilen, dass es wichtig ist, unsere Geschichten zu bewahren, auch wenn große Katastrophen über uns hereinbrechen.
Dabei kommt dieser meist ruhige Film ganz ohne Schuldzuweisungen aus. Vom Hergang des Krieges, von dessen Beginn und dessen Parteien erfahren wir nichts. Die Geschichte klagt nicht an, sucht keine Schuldigen. Und das macht den Film, obwohl er in einer dystopischen Zukunft spielt, tatsächlich optimistisch. Am Ende kam ich daher nicht umhin zu bemerkten: Vielleicht hat sich Yumemi Hoshino nicht in uns geirrt.
Planetarian: Storyteller of the Stars ist auf Blu-ray und DVD erhältlich.
Originaltitel: Planetarian: Hoshi no Hito. Science-Fiction, Anime. Japan 2016. 117 Minuten. Regie: Naokatsu Tsuda. Drehbuch: Naokatsu Tsuda, Shogo Yasukawa. FSK 12
Bildquelle: © Plaion Pictures
