Michael Sagenhorn/ August 8, 2025/ Kino und Film/ 0Kommentare

50 Jahre ist es her, seit Steven Spielberg seinen menschenfressenden Hai auf die große Leinwand gebracht hat und damit dermaßen erfolgreich war, dass eine neue Hollywood-Ära eingeläutet wurde: die des Blockbuster-Kinos.

Beinahe eine halbe Milliarde US-Dollar spielte Spielbergs vierter Streifen (wenn man Firelight dazuzählt) weltweit ein und verhalf dem Ausnahmeregisseur zu seinem Durchbruch. Der Hai-Horror setzte damals neue Maßstäbe und hat unzählige Nachahmer hervorgebracht.

Heute schwimmen zahllose mordsgefährliche Haie durch die Filmgewässer. Die meisten dieser Filme sind Schrott. Einige Trashfilme haben es trotzdem zum Kultstatus gebracht (Sharknado – Beste Grüße an Schlefaz). Andere wurden mit einem größeren Budget gedreht. The Meg, aber auch Deep Blue Sea oder 47 Meters Down haben einen gewissen Unterhaltungswert, auch was die Gestaltung der Haie betrifft. Viele sehen sehr viel unheimlicher und lebensechter aus als die plumpe Fiberglas-Animatronic von 1975. Trotzdem ist Der weiße Hai für mich auch nach 50 Jahren der ungeschlagene Killerhai-Film. Das liegt vor allem an Spielbergs Inszenierung, aber auch an der Vorlage, dem gleichnamigen Roman von Peter Benchley, der nur ein Jahr vor dem Film erschienen ist. Benchley arbeitete ebenfalls am Drehbuch mit.

Achtung! Hier wird es zu Spoilern kommen, was den Film und das Buch anbelangt!

Handlung

Chief Brody ist erst seit kurzem Polizeichef von Amity. Er ist mit seiner Frau Ellen und seinen kleinen Söhnen Michael und Sean in diesen kleinen Badeort gezogen und hat New York den Rücken gekehrt. Aufgrund der hohen Verbrechensquote hatte Brody in New York nie das Gefühl, dort als Polizist etwas erreichen zu können.
In seiner neuen Heimat ist der stark wasserscheue Chief zwar zu seinem Leidwesen vom Wasser umgeben, aber zumindest ist es ruhig und friedlich, sodass sich die Bewohner nur wegen kleiner Alltagsprobleme an ihn wenden müssen. Hier ein falsch geparktes Auto, dort eine Ruhestörung.

Das ändert sich, als die verstümmelte Leiche der jungen Studentin Chrissi Watkins an den Strand gespült wird. Brody und seine Leute rätseln, was das Mädchen so zugerichtet haben könnte. Experten vermuten einen Haiangriff. Daher macht Brody sich daran, den Strand zu schließen. Doch Bürgermeister Vaughn möchte das unbedingt verhindern. Bald ist Touristenhauptsaison und Amity benötigt zahlungskräftige Badegäste. Gerüchte über menschenfressende Haie wären nicht förderlich für das Geschäft.

Brody lässt sich umstimmen. Der Strand bleibt weiterhin offen. Das zweite Opfer des Hais ist der kleine Alex Kintner. Während die Menschen unter warmer Sonne planschen, schlägt der Hai zu und zerfleischt vor aller Augen den Jungen auf seiner Luftmatratze.
Jetzt kennen die Einwohner des Badeortes kein Halten mehr. Eine Versammlung wird einberufen, der Strand gesperrt, der Hai muss zur Strecke gebracht werden. Doch nicht nur viele aufgebrachte Hobbyjäger wollen den Hai töten, auch der professionelle Haijäger Quint bietet seine Hilfe an gegen einen Betrag, den der Bürgermeister jedoch nicht bereit ist zu zahlen.

Brody fordert derweil vom Institut für Ozeanografie einen Meeresbiologen an. Als dieser Biologe, Matt Hooper, erscheint, ist die Hai-Jagd schon lange eröffnet. Fischer zerren jubelnd einen erlegten Hai an Land. Auch Brody ist erleichtert, Bürgermeister Vaughn begeistert. Nur Quint ist skeptisch. Haben die unerfahrenen Jagd-Touristen tatsächlich den richtigen Hai gefunden? …

Der perfekte Jäger perfekt inszeniert

Spielberg verstand es noch, die Fantasie des Zuschauers zu nutzen, um Grauen zu erzeugen. Dank moderner CGI wird heutzutage das Monster oft schon nach kurzer Zeit in voller Pracht präsentiert. In Meg 2 schwimmt ein Protagonist am Anfang des Films mit einem Megalodon, den dieser von klein auf aufgezogen hat. Wird der Protagonist nun vor den Augen seiner kleinen Tochter gefressen? Oder fruchtet sein Training und der Hai schwimmt einfach wieder davon? Das Ganze zu verfolgen ist so spannend wie Kresse beim Wachsen zuzusehen. Kein Wunder, dass ich mich bei solch fesselnden Szenen bemühen musste, nicht nach der Hälfte des Films einzuschlafen.

Ganz anders führt Spielberg seinen Hai ein. Die kleine Studentin geht mitten in der Nacht im Meer baden. Ihr Begleiter schlummert am Strand betrunken ein.
Sie schwimmt ein paar Züge. Uns schwant nichts Gutes! Dann erfolgt der Angriff aus der Tiefe! Zuerst ganz leicht. Chrissi Watkins ist verwundert und erschrocken. Dann beißt der Hai richtig zu. Chrissi brüllt und schreit und wird über das Wasser gezogen, bis sie gegen eine Boje kracht. Sie keucht, hechelt und wimmert. Ein kräftiger Ruck! Sie wird in die Tiefe gezerrt. Die Boje bleibt allein zurück. Der Begleiter flüstert ihr noch zu, dass er gleich ins Wasser käme, bevor er vollkommen einschläft.

In der ganzen dramatischen Szene bekommen wir den Hai nicht einmal zu sehen. Nicht mal eine Flosse. Sie lebt durch die tolle Performance der Schwimmerin, Stuntfrau und Schauspielerin Susan Backline als Chrissi. Die Gestalt des Monsters entsteht allein in unserer Fantasie.

Auch, dass wir uns zeitweise in die Perspektive des Hais begeben, kann feuchte Hände erzeugen. Die Kamera folgt dem Jäger durch das Wasser auf seiner Suche nach Beute. Dabei wird er begleiten vom spannungsgeladenen Soundtrack von John Williams. Die Musik schwillt an, je näher der Hai seiner Beute rückt. So schlägt der Hai in einer weiteren Schockszene zu, als Alex Kintner im Wasser unter seinen eigenen Blutfontänen verschwindet, die sich mit der zerfetzten gelben Luftmatratze vermischen. Die anschließende Panik der Badegäste und Brodys erstarrtes Gesicht runden diese Szene ab.

Spielberg gibt den Opfern des Hais schon sehr früh Namen. Ein Kniff, der uns enger an die Unglücklichen binden soll. Unsere Emotionen über den Tod von Alex werden später sogar noch gesteigert, als die verzweifelte und zornige Mutter auf Brody trifft und ihn vor aller Augen vorwirft, den Strand nicht früher geschlossen zu haben, obwohl es bereits eine Tote gegeben hat. Mit solchen Szenen steigert man zudem auch unsere Wut auf den Hai.

In dieser Geschichte wird der Hai nicht als normales Tier dargestellt, sondern latent als Wesen inszeniert, das sich am Blutrausch weidet. Unweigerlich beginnt sich mancher Zuseher zu fragen, ob in diesem Hai nicht mehr steckt als ein Jäger, ob dieser Hai vielleicht ganz bewusst in mörderischer Freude handelt.
Genau diese leichte Ahnung zu erwecken, wird in einem seiner Nachfolger stümperhaft überreizt: In Der weiße Hai 4 wird ganz offen darüber gesprochen, dass der Hai Rache an der Familie Brody nimmt, für seine von den Brodys getöteten Vorgänger. Ach herrjemine!

Das Original lebt jedoch auch davon, dass der Hai erst spät zu sehen ist. Das ist auch gut so, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Wie sieht der Hai aus? Was ist das für ein Monster? Zudem war man damals weit von den technischen Möglichkeiten von heute entfernt. Trotzdem ist Bruce – so nannte Spielberg seine Hai-Attrappe – ein für damalige Verhältnisse beeindruckendes Modell, auch wenn Bruce im Film zweifellos als unecht zu erkennen ist. Dafür war das Modell über 7 Meter lang und eigentlich deutlich zu groß für einen weißen Hai. Aber diese Größe lenkt nicht nur von der unechten Attrappe ab, sondern erhöht noch mal den Schrecken der Zuschauer und weckt ihre tief schlummernden Ängste vor den unsichtbaren Gefahren der Tiefe.

Ein bemerkenswertes Trio – Der Jäger wird zum Gejagten

Der Film wird für mich ab dem Moment zu einem großartigen Abenteuerfilm, als das Schiff des Haijägers Quint, die ‚Orca‘ zur Jagd ausläuft. Der Auslauf ist hervorragend arrangiert! Der Zuschauer beobachtet durch das Haigebiss am Fenster von Quints Stube, wie in der Ferne das Schiff aus dem Hafen kuttert. John Williams liefert nun immer wieder schwungvolle, hoffnungsvolle Musikstücke, die den Abenteuer-Vibe weiter anheizen.

Ab dem Zeitpunkt des Auslaufens gehört die Filmzeit alleine Roy Scheider (Martin Brody), Robert Shaw (Quint) und Richard Dreyfuss (Matt Hooper). Ab jetzt gibt es nur noch den Chief, den Jäger, den Forscher – und den Hai. Das Einzige, das die drei von nun ab von etwa 300 messerscharfen Zähnen trennt, ist ein klappriger Fischkutter, von dem man meinen könnte, er würde bereits sinken, wenn eine Sardine ihn zu scharf ansieht.

Die drei Schauspieler harmonisieren sehr gut miteinander. Teamgeist, aber auch Reibereien der drei unterschiedlichen Figuren werden gut transportiert. Der Film pendelt hin und her zwischen dem langweiligen Ködern und dem trögen Warten und den schnellen Sequenzen, wenn der Hai die Verfolgung der ‚Orca‘ aufnimmt, bis er wieder in den Tiefen verschwindet.

Mehr Hintergrund erhält die Suche nach dem Hai, als Quint bei einem nächtlichen Umtrunk in der Kabine von seiner Erfahrung auf der ‚USS Indianapolis‘ erzählt, dem Kriegsschiff, das Teile der Hiroshima-Bombe transportierte, aber von einem japanischen U-Boot versenkt wurde, nachdem sie die Ladung abgeliefert hatten. Die Mission der ‚USS Indianapolis‘ war so geheim, dass nur wenige Marinedienststellen davon wussten, und dementsprechend lange dauerte die Rettung der überlebenden Soldaten. Quint erzählt sehr packend von der Zeit zwischen dem Untergang des Schiffes und seiner Rettung, denn der Film suggeriert, dass die meisten Schiffbrüchigen von Haien getötet worden sind, was jedoch nicht der Wirklichkeit entspricht. Trotzdem ist diese Szene eine der intensivsten des Films.

Noch ein Triva zum viel zu früh verstorbenen Robert Shaw: Robert Shaw hat 1977 noch mal in der Verfilmung eines Romans von Peter Benchley mitgespielt: Die Tiefe. Auch hier geht es wieder hinaus auf hohe See, auch hier schrieb Benchley das Drehbuch.

Die dunkle Seite des Erfolgs

Der Hai von Peter Benchley und Steven Spielberg ist kein normaler weißer Hai, sondern ein Monster, das in dieser Form ins Reich der Fabeln gehört.

Nun ist es ja so, dass Haie keine besonders große Lobby haben. Sie sehen nicht so knuffig aus, wie manche gefährliche Säugetiere, z. B. Bären. Sie sind auch keine lustigen Spring-ins-Felde wie Delfine. Dementsprechend hält sich unsere Sympathie für die uralten Jäger auch heute noch in Grenzen.
Haie sind die realen Xenomorphe aus Alien mit zahnstarrendem Maul. Dementsprechend gut passen sie in Horrorfilme. Dort nehmen sie die abstrusesten Formen an. In Sharknado wirbeln sie hungrig durch die Luft, getragen von einer Windhose. In Sand Sharks buddeln sie sich unter dem Strand durch. In Snow Sharks sind sie auf Skipisten unterwegs. Manchmal haben Haie auch mehrere Köpfe, damit sie mehrere Menschen gleichzeitig fressen können, wie in 3-Headed Shark Attack.

Jedoch hat der Erfolg als Filmkiller-Monster auch seine Kehrseite. Besonders Der weiße Hai schadete dem Ruf des schnittigen Fisches enorm. Der Film stellt den Hai völlig falsch dar, als grausamen Killer, der gezielt Jagd auf Menschen macht. Als Folge dessen fielen nach 1975 Haie vermehrt Trophäenjägern zum Opfer. Die Anzahl der Tiere entlang der Ostseeküste der USA ging zu dieser Zeit zurück. Auch soll der Film Einfluss auf die vermehrte Sportfischerei gehabt haben.

Der weiße Hai hat unsere Angst vor den Gefahren des tiefen Ozeans weiter entfacht. Tatsächlich sieht der gefährliche Fisch eher wie ein kaltblütiger Jäger aus, mit seinen dunklen, leblos scheinenden Augen, seinen schwertartigen Flossen, der fahlen Haut, fast toten- und maschinengleich und natürlich mit seinem unverwechselbaren Revolvergebiss.

Der Grund, warum Haie so erschreckend aussehen und so gar nichts kuschliges an sich haben: Sie haben seit Jahrmillionen ihr Aussehen kaum verändert. Haie waren schon immer die perfekt angepassten Jäger und lebten bereits zu einer Zeit, als es noch viel furchteinflößendere Meeresbewohner gab, wie den gewaltigen Liopleurodon, ein bis zu sieben Meter langer Spitzenprädator aus der Jurazeit vor 160 Millionen Jahren. Oder den unheimlich aussehenden Dunkleosteus, einem bis zu vier Meter langen Panzerfisch, der vor ca. 370 Millionen Jahren im Oberdevon lebte. Genau während dieser Zeit im Devon vor etwa 400 Millionen Jahren bis 350 Millionen Jahren tauchten die ersten Haie auf. Vielleicht existieren sie sogar schon früher.

Selbst der größte uns bekannte Hai mit seinen stolzen knapp 20 Metern Länge, der Megalodon ist ein Jungspund unter den Haien, denn er lebte von vor ca. 15 Millionen Jahren bis 1 Millionen Jahren. Im Meer hat es quasi schon immer Haie gegeben. Sie sind seither ein wichtiger Teil des Ökosystems. Man kann gar nicht erahnen, was es bedeuten würde, würde der Hai aus den Meeren verschwinden.

Später distanzierten sich Steven Spielberg und Peter Benchley von ihrem Werk. Benchley schrieb in der Einleitung zur Neuauflage des Romans, dass er Der weiße Hai niemals noch mal schreiben könne. Er könne kein Tier verteufeln, das für das Gleichgewicht des Meeres so lebenswichtig ist.
Doch seine Geschichte, das Buch und der Film haben nicht nur negative Effekte gehabt. Denn sie haben bei vielen auch das Interesse an Haien geweckt. Heute erholt sich die Haipopulation langsam. Und das ist tatsächlich auch dem gesteigerten Interesse an den Tieren zu verdanken, das durch diese Geschichte hervorgerufen wurde.

Hinter dem Ozean – Michael Sagenhorn 2005

Fazit

Das hier gezeigte Monster hat kaum etwas mit seinem natürlichen Vorbild zu tun. Dennoch gehört Der weiße Hai für mich bis heute zu den großen Abenteuerfilmen. Er ist blutig, hat aber diese für Spielberg typische verträumte Leichtigkeit – auch im Alltag. Der Film gibt den Roman sehr gut wieder.
Doch es gibt markante Unterschiede. Der Roman versprüht nicht das abenteuerliche Flair des Films. Auch zeigt er teilweise nüchtern graue Figuren, die sich dementsprechend verhalten. Zum Beispiel thematisiert Benchley die Eheprobleme der Brodys. Liest man, wie ich das Buch erst nachdem man den Film gesehen hat, wird Spielbergs Interpretation der Figuren entzaubert. Das Ganze gipfelt darin, dass Ellen Brody mit Matt Hooper ins Bett springt.
Hooper wiederum, im Film mein Sympathieträger Nummer 1, kann sich im Buch nicht aus dem Haikäfig retten und wird vom Hai gefressen. Im Buch ist Brody der Einzige, der die Jagd überlebt.

Der weiße Hai ist so ein Film, der nie nach Fortsetzungen gerufen hat. Die Geschichte steht für sich alleine und endet mit der Rückkehr von Brody und Hooper zum Strand. Hier sollte man die Geschichte auch abschließen. Spart euch die Nachfolger. Teil 2 bis 4 sind den legendären Titel der großartigen Ursprungsgeschichte nicht wert.

Der weiße Hai ist auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Originaltitel: Jaws. Horror, Thriller, Abenteuer. USA 1975. 124 Minuten. Regie: Steven Spielberg. Drehbuch: Peter Benchley, Carl Gottlieb. FSK 16

Weiterführende Links:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/spielberg-bedauert-schrumpfen-der-haifisch-bestaende-nach-seinem-kultfilm-100.html

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2022/08/der-weisse-hai-kostet-haien-ihr-image-das-leben

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Über Michael Sagenhorn

Im bürgerlichen Leben: Michael Schnitzenbaumer, lebt in Poing bei München, mit seiner Frau Steffi und seinen beiden Kindern Tatjana und Sebastian. Beruflich ist er als Webentwickler tätig, und natürlich auch als Grafiker und Illustrator. Neben den Hobbys 'Fotografie', 'Reisen und 'Kochen' liest er für sein Leben gerne phantastische Romane. Sofern es seine Zeit zulässt, spielt er auch mal gern ein Computerspiel. Was ich mag! Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, Empathie, Romantik - Ohrenstöpsel und Tante Gretels Apfelkuchen. Was ich nicht mag! Verrat, Geldgier (obwohl ich gegen Geld oder Reichtum gar nichts einzuwenden habe), Egomanie - früh aufstehen.

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